Neue Westfälische (Bielefeld): Einkommensunterschiede
Der Zusammenhalt ist in Gefahr
Carsten Heil
(ots) - Ungleichheit muss nicht grundsätzlich schlecht
sein. Gefälle kann Menschen dazu bewegen, sich anzustrengen, sich zu
überwinden. Es wohnt dem Menschen inne, etwas erreichen zu wollen,
etwas auch zu besitzen, was andere schon haben oder was andere eben
nicht haben stolz vorzuzeigen. Ungleichheit fördert das
Leistungsprinzip. Sie ist damit Teil des kapitalistischen Systems.
Die Soziale Marktwirtschaft deutscher Prägung hat es sich zu eigen
gemacht, den Schwächeren in diesem System zu helfen, die Ungleichheit
zu überwinden oder doch zu verringern. Das jedoch wird zunehmend
schwieriger, wie die Studie der gewerkschaftsnahen
Hans-Böckler-Stiftung erneut belegt: Während obere Einkommensgruppen
und mittlere (das ist die gute Nachricht) von Wirtschaftsboom und
Lohnsteigerung profitieren, wächst die Zahl der Haushalte, die als
arm gelten. Da wird Ungleichheit zu Ungerechtigkeit. Und ungerecht
ist es, wenn ein Mensch trotz aller eigener Anstrengung den Anschluss
nach oben oder wenigstens in die Mitte nicht schafft. Und auch keine
Chance hat. Ein selbstständiger Paketbote in subunternehmerischem
Abhängigkeitsverhältnis kann noch so rennen, um seine Päckchen
zuzustellen. Er wird damit seinen Verdienst nicht steigern können.
Denn seiner Rennerei sind natürliche Grenzen gesetzt und ihr liegen
ausbeuterische Verhältnisse zu Grunde. Die Gewerkschaften empfehlen
mehr Tarifbindung. Die Tarifsystematik trägt jedoch ihren Teil zur
ungerechten Entwicklung bei. Es geht von Einmalzahlungen und
Sockelbeträgen abgesehen fast immer um prozentuale
Gehaltssteigerungen. Und 3,7 Prozent Lohnzuwachs von 5.000 Euro
Monatseinkommen sind absolut betrachtet nun mal mehr als von 1.600
Euro Monatseinkommen. Da zementiert die Gewerkschaft mit an
Ungerechtigkeit, denn ihre Beitragszahler stammen kaum aus den
unteren 16 Prozent der Beschäftigten. "Leistung muss sich wieder
lohnen" - diesen Slogan der CDU aus dem Jahr 1982 haben sich danach
auch FDP und selbst die SPD (2006) zu eigen gemacht. Der Ansatz ist
richtig. Wer erlebt, dass sich Leistung lohnt, wird weiter Leistung
bringen. Er trägt damit zum eigenen und zum Wohlstand der
Gesellschaft bei. Wer das nicht erlebt, steht in der Gefahr
resigniert aufzugeben. Wenn zunehmend Menschen resignieren und sich
vom gesellschaftlichen Konsens verabschieden, weil sie immer wieder
enttäuscht werden, ihre Leistung sich nicht lohnt, bekommen wir ein
Problem mit dem Zusammenhalt der Gesellschaft.
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Datum: 06.10.2019 - 20:05 Uhr
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