Mittelbayerische Zeitung: Impeachment-Irrtümer
Vergleiche mit vergangenen Amtsenthebungsverfahren helfen bei den Ermittlungen gegen Donald Trump kaum weiter. Der Fall Bill Clinton war anders gelagert. Von Thomas Spang
(ots) - Das gescheiterte Impeachment Bill Clintons im
Jahr 1999 endete nicht, wie oft behauptet und in der Echokammer der
Meinungsführer verstärkt, in einem Desaster für die Republikaner.
Tatsächlich sind sich die Wahlkampfmanager George W. Bushs und Al
Gores heute einig, dass Gore wegen Clintons Fehlverhalten im Weißen
Haus entscheidende Stimmen bei den Präsidentschaftswahlen 2000
verlor. Gore versuchte, sich im Wahlkampf, so weit es ging, von
Clinton zu distanzieren, während Bush feierlich versprach "die Ehre
und Würde des Oval Office" wiederherzustellen. Die Strategie ging
laut Nachwahlumfragen auf. Die Republikaner verloren weder bei den
Midterms 1998, also kurz nach Beginn des Impeachments, noch bei den
Kongresswahlen 2000 mehr als ein paar Mandate. Zwei Jahre nach dem
Versuch, Clinton des Amtes zu entheben, kontrollierten die
Republikaner das Weiße Haus, das Repräsentantenhaus und den Senat.
Wenn das ein Desaster ist, dürfen die Demokraten den kommenden Wochen
ganz entspannt entgegensehen. Zumal es jenseits der fehlenden
Mehrheit im Senat für die Verurteilung des Präsidenten diesmal eine
drastisch andere Ausgangslage gibt. Clinton war während seiner
gesamten Amtszeit ein beliebter Präsident. Trump startete mit
geringen Zustimmungswerten um die 40-Prozent-Marke und genoss nicht
an einem einzigen Tag seit seiner Wahl die Zustimmung der Mehrheit
seiner Landsleute. Während die Amerikaner vor Beginn der
Amtsenthebungsverfahren in beiden Fällen mehrheitlich dagegen waren,
ändere sich das Meinungsbild in Bezug auf Trump binnen weniger Tage
dramatisch. Eine neue "CBS News-YouGov"-Umfrage zeigt, dass nun 55
Prozent der Amerikaner ein Impeachment befürworten. Die Erklärung für
den massiven Umschwung deutet auf einen weiteren Unterschied. Bei
Clinton ging es um persönliches Fehlverhalten, während Trump die USA
und ihre demokratische Ordnung verraten hat, als er in der Ukraine
Hilfe gegen einen politischen Gegner daheim suchte. Er lieferte dazu
noch den "Rauchenden Colt" in Form eines Memorandums und der Freigabe
der "Whistleblower"-Beschwerde. Darin kann jeder schwarz auf weiß
nachlesen, wie Trump sein Amt missbrauchte, den Präsidenten eines
Landes, das in seiner Sicherheit auf die USA angewiesen ist, zu
nötigen, ihm Wahlkampfmunition gegen Joe Biden zu liefern. Bei
Richard Nixon reichte das versuchte Cover-Up in der Watergate-Affäre,
ihn aus dem Amt zu drängen, im Fall Trumps kommt es erschwerend
hinzu. Und wirft neue, höchstbrisante Fragen auf. Was steht in den
versteckten Transkripten seiner Telefonate mit Wladimir Putin und dem
saudischen Kronprinzen Mohamed bin-Salman? Weil der Fall gegen Trump
so klar gelagert ist, kann niemand sagen, wie eine Nichtverurteilung
im Senat aus durchsichtiger Parteilichkeit von den Wählern beurteilt
wird. Darüber Voraussagen treffen zu wollen, wäre so töricht, wie
Rückschlüsse aus der Geschichte ziehen zu wollen. Zumal das am Ende
ohnehin alles müßig ist. Denn Trump ließ den Demokraten keine andere
Wahl, als im Kongress ihre von der Verfassung aufgetragene
Kontrollfunktion auszuüben. Speakerin Nancy Pelosi hat das mit einer
großen moralischen Klarheit erkannt. Die Demokraten wissen, dass sie
am Ende gar nicht die Senatoren, sondern die Wähler im November 2020
überzeugen müssen. Das sind die Geschworenen, die dann das Urteil
über einen Präsidenten fällen, der besser niemals das Weiße Haus
betreten hätte.
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