"Klimaschutzprogramm 2030" - Interview mit Ove Burmeister zum Klimapaket der Bundesregierung
(ots) - Ove Burmeister ist Inhaber und Geschäftsführer der
DEB Gruppe. Zu dem mittelständischen Unternehmen aus Hamburg gehört
neben Ihrem Kerngeschäft, der Errichtung von Photovoltaik-Anlagen für
private und Institutionelle Investoren, seit Februar dieses Jahres
auch der unabhängige Stromversorger DEVG. Das Unternehmen versorgt
deutsche Haushalte und Unternehmen mit Strom aus den selbst
errichteten Photovoltaik-Anlagen und anderen erneuerbaren Quellen.
Das Interview hat Dr. Manuela Diehl geführt.
Manuela Diehl
Die Bundesregierung hat am Freitagnachmittag ihr
milliardenschweres Investitionspaket in den Klimaschutz der
Öffentlichkeit präsentiert. Damit sollen die Weichen für die Zukunft
gestellt werden. In dem Eckpunktepapier wird der Ausbaudeckel für die
Solarförderung aufgehoben. Sie sind als Geschäftsführer der DEB
unmittelbar von den Beschlüssen betroffen, sind Sie zufrieden?
Ove Burmeister
Die ersatzlose Streichung des Ausbaudeckels für Photovoltaik war
absolut notwendig. Die Solartechnik wird für die Erreichung der
Klimaziele von zentraler Bedeutung sein. Seit geraumer Zeit fordert
die Solarbranche seine Abschaffung. Dieses Thema wurde viel zu spät
angepackt und hat für Erosionen in der Solarbranche und den Abbau von
Arbeitsplätzen gesorgt. Der Bruttozubau aller Photovoltaik-Anlagen in
Deutschland liegt bereits bei circa 50 Gigawatt; das heißt wir
erreichen schon nächstes Jahr das Limit von 52 Gigawatt und ab dann
hätten Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt keine Solarförderung
mehr erhalten. Insofern bin ich natürlich zufrieden. Es ist kein
Geheimnis, dass wir einen deutlich höheren Ausbaupfad brauchen, wenn
wir die Klimaziele erreichen wollen. PV ist neben Wind die günstigste
Energiequelle überhaupt. Die Vergabekriterien für Windkraftanlagen
wurden allerdings so stark verschärft, dass dort keine ausreichende
Ausbaubarkeit mehr besteht. Das ist bei PV anders. Allein die
statisch geeigneten Dächer würden für die gesamte Stromversorgung
ausreichen. Und mit der Nutzung von Dächern würde noch nicht einmal
weiteres Land verbraucht.
Manuela Diehl
Das Eckpunktepapier sieht Maßnahmen für den Klimaschutz vor, die
allein bis 2023 mehr als 54 Milliarden Euro kosten. Von
Umweltschützern und Klimaökonomen wird es aber massiv kritisiert und
als enttäuschend, als Stückwerk ohne klare Linie bezeichnet. Der
angekündigte große Wurf sei nicht gelungen. Wie ist Ihre
Einschätzung?
Ove Burmeister
Zunächst kann man sagen, dass das Thema offenbar weltweit in der
breiten Masse vieler Gesellschaften angekommen ist. Greta und die
Kinder von "Fridays for Future" haben ihren Anteil daran. Hier in
Deutschland ist jetzt mit dem Klimapaket erst einmal ein Rahmen
definiert. Über die Umsetzung und die detaillierten
Durchführungsverordnungen werden die Parteien, wie immer, weiter
streiten. Dass als zentrale Maßnahmen der Ausbau der Erneuerbaren
Energien und die Rückführung der Kohleverstromung vorgesehen sind
kann ich nur gut heißen. Die Bundesregierung hat das Ziel, bis zum
Jahr 2030 einen Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von
65% zu erreichen. Neben der Abschaffung des Ausbaudeckels sehe ich
als weitere positive Maßnahmen auch die angestrebte Forcierung der
Sektorkoppelung und dass Speicher künftig den Letztverbraucherstatus
erhalten und von bestehenden Umlagen befreit werden.
Manuela Diehl
Unter Sektorkoppelung versteht man die Vernetzung aller drei
Sektoren der Energiewirtschaft, also Strom, Wärme und Verkehr.
Ove Burmeister
Ja genau, dadurch können Erneuerbare Energien aus Sonne und Wind
auch zur Wärmeerzeugung und für die Mobilität verwendet werden und
aus der Stromwende wird eine echte Energiewende. Damit der
Klimaschutz tatsächlich vorankommt, müssen diese Sektoren verbunden
werden. Das bedeutet Elektrofahrzeuge müssen mit sauberem Strom,
beispielsweise aus einer Photovoltaik-Anlage, aufgeladen werden. Nur
dann sind Elektrofahrzeuge wirklich umweltfreundlich unterwegs. Das
gilt auch für die Gebäudeheizungen. Die Technologie dafür ist längst
auf dem Markt.
Manuela Diehl
Was sagen Sie zur Einführung der CO2-Bepreisung? Wie wirkt sich
die Ihrer Meinung nach auf die Solarwirtschaft aus?
Ove Burmeister
Der bürokratische Aufwand und der niedrig angesetzte Preis für die
Zertifikate scheinen die Hauptkritikpunkte an diesem Klimapaket zu
sein. Umweltverbände gehen davon aus, dass die Kosten für eine Tonne
CO2 bei 160 bis 180 Euro liegen. Da sind die angesetzten 10 bis
maximal 60 Euro natürlich zu niedrig. Ottmar Edenhofer, der Leiter
des Instituts für Klimafolgeforschung in Potsdam hat die Regierung
bei dem Klimapaket beraten und gesagt, dass für ihn der CO2 Preis
entscheidend sei, ob der Einstieg in einen effektiven Klimaschutz
gelingt. Die CO2-Bepreisung dürfe keine Alibifunktion oder Nebenrolle
haben, sondern müsse das Leitinstrument für eine wirksame
Klimapolitik sein. Ich sehe, dass hier mal ein Anfang gemacht wurde
und dass diese Themen nicht nur in der Gesellschaft, sondern jetzt
auch in der Politik angekommen sind. Uns sollte aber auch klar sein,
dass der eingeschlagene Weg einer ständigen Nachjustierung bedürfen
wird. Die Politik kann Regeln und Anreize schaffen. Ob sie greifen,
sieht man immer später.
Manuela Diehl
2022 geht das letzte AKW in Deutschland vom Netz, mit der Kohle
soll spätestens 2038 Schluss sein. Viele befürchten nun, dass es im
Zuge der Abschaltung der grundlastfähigen Kraftwerke zu
Versorgungsengpässen kommen kann. Die Versorgungssicherheit sei nicht
gewährleistet, immerhin müssen mittelfristig rund 50 Prozent der
derzeitigen Erzeugungskapazitäten am Strommarkt ersetzt werden. Wird
das ihrer Meinung nach gelingen?
Ove Burmeister
Das ist eine große Herausforderung, aber ich bin da ganz
optimistisch. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) hat zu
dem Thema "Stromlücke" eine Studie des Markt- und
Wirtschaftsforschungsunternehmens EuPD Research vorgestellt. Danach
braucht Deutschland bis 2030 eine installierte Photovoltaik-Leistung
von 162 Gigawatt. Das heißt wir müssen uns anstrengen. Die
Photovoltaik steht dabei im Mittelpunkt, weil ihre Kapazitäten am
schnellsten und billigsten erhöht werden können. Parallel zur
Photovoltaik müssen natürlich auch Windkraft, Biomasse und die
anderen Erneuerbaren weiter ausgebaut werden und gleichzeitig ist
auch eine deutliche Erhöhung der Speicherkapazitäten notwendig. Nur
im Zusammenwirken aller Maßnahmen werden wir eine stabile
Grundversorgung sicherstellen können. Ich glaube, die Menschen sind
bereit. Ist es die Politik auch? Das Ganze ist eine große Sache! Sie
zu schaffen, aber wie bereits gesagt: Es wird auf die Anreize und
Regelungen ankommen, die von der Politik kommen muss. Halbherzigkeit
ist für die nächsten Jahre keine Option. Ich hoffe, dass der
öffentliche Druck, der besonders in den letzten Monaten deutlich zu
spüren ist, anhält und seine Wirkung entfalten wird. Dieses
Klimaschutzprogramm ist nur Papier und auch nur ein Zwischenschritt.
Aber einer der uns Hoffnung geben sollte.
Manuela Diehl
Was sollte die Politik Ihrer Meinung nach noch tun um die
Energiewende voranzubringen?
Ove Burmeister
Spätestens jetzt müssen wir über Geld reden. Ich sehe da zwei
zentrale Bereiche. Erstens die Forschungsförderung und zweitens die
Unternehmensfinanzierung, insbesondere Technologieunternehmen in der
Frühphase. Das Budget für Forschung soll ja nun erweitert werden. Das
wird auch in dem Eckpunktepapier erwähnt und macht mir Mut. Hier sehe
ich einen Kernpunkt auch für einen späteren wirtschaftlichen Erfolg
und Arbeitsplätze in Deutschland. In diesem Bereich waren wir immer
stark und sollten die Anstrengungen noch weiter erhöhen. Als
positives Beispiel möchte ich die Arbeit des Fraunhofer-Instituts für
Solare Energiesysteme (ISE) nennen. Das ISE hat
Photovoltaik-Technologien vorgestellt, die sich in Gebäudefassaden,
Fahrzeugen oder an Fahrwegen integrieren lassen und auch auf Agrar-
und Wasserflächen. Solarpanels auf Dächern von Elektrofahrzeugen
können für Reichweitengewinne sorgen. An Straßen und Schienenwegen
könnte Photovoltaik für einen zusätzlichen Lärmschutz sorgen. Da gibt
es viele intelligente, innovative Ideen.
Darüber hinaus brauchen wir eine funktionierende Infrastruktur für
die Frühphasenfinanzierung deutscher Unternehmen: Ein erheblicher
Teil der weltweit angemeldeten Technologiepatente kommt nach wie vor
von deutschen Ingenieuren und Unternehmern. Diese Menschen wachsen in
Deutschland auf, sie durchlaufen eine von deutschen Steuerzahlern
finanzierte Ausbildung, besuchen eine deutsche Universität und
irgendwann entwickeln sie z.B. eine neue Technologie. Die Uni
unterstützt sie vielleicht noch eine Weile, aber spätestens wenn die
weltweite Patentanmeldung und die Produktvermarktung anstehen, geht
das Geld aus. Es gibt in Deutschland keine gute Infrastruktur zur
Finanzierung solcher Unternehmen in der Frühphase. Von deutschen
Banken ist da nichts zu erwarten, dabei wäre es ihr zentraler Job,
solche Unternehmen zur Blüte zu begleiten. Das birgt natürlich
Risiken und die geht man eben nicht ein. Das habe ich übrigens mit
meinem Unternehmen am eigenen Leibe erfahren müssen. Wenn sie es
später "geschafft" haben, wirft man Ihnen das Geld nach, bis dahin
müssen Sie alleine klar kommen.
Aber was passiert mit diesem jungen Unternehmer: Er wird sich in
anderen Ländern umsehen und er wird mit einer deutlich höheren
Wahrscheinlichkeit dort Unterstützung bekommen. Andere Länder greifen
damit unsere besten Köpfe ab, sie gehen ins Ausland und entwickeln
Ihre Unternehmen dort. Sie schaffen dort Arbeitsplätze, sie
entwickeln dort ihr Know-how weiter, sie zahlen dort Steuern usw.
Deutschland hat mal wieder den Grundstein gelegt und bezahlt, die
Ernte fahren Andere ein. Damit muss Schluss sein und dazu konnte ich
in dem gesamten Unterlagenkonvolut nichts finden. Der Mittelstand
soll angeblich das Rückgrat unserer Gesellschaft sein, die Politik
könnte sich da deutlich mehr engagieren. Eine Maßnahme wäre, die
Banken in die Lage zu versetzen und in die Pflicht zu nehmen,
aussichtsreiche Unternehmen mit Kapital zu versorgen. Denkbar wäre
auch ein Staatsfonds.
Konkret: Die Politik muss Strukturen schaffen, mit denen wir die
internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Photovoltaik-Branche stärken und den "Braindrain", die Abwanderung
von wissenschaftlich ausgebildeten, hoch qualifizierten Fachkräften
aufhalten. Besser noch umzukehren. Wir müssen uns bewusst werden, was
für ein ungeheures Potenzial die Erneuerbaren Energien für die
deutsche Wirtschaft darstellen. Auch im Hinblick auf Arbeitsplätze.
Wir wollen doch wohl nicht einen der zentralen Wachstumsmärkte
komplett an uns vorüber gehen lassen, obwohl wir ihn selbst erfunden
haben. Die Welt steht vor dem größten Photovoltaikboom aller Zeiten.
Der gesamtwirtschaftliche Effekt könnte enorm positiv sein.
Manuela Diehl
Und wie hat sich Ihr Unternehmen, die DEB Deutsche Energie
Beratung aufgestellt, um den nun anstehenden Herausforderungen zu
begegnen?
Ove Burmeister
Anders als einige Wettbewerber, die sich gerade aus dem Markt
zurückziehen, haben wir diese erfreuliche Entwicklung bereits im
letzten Jahr antizipiert und uns auf genau dieses Szenario, nämlich
den massiven Ausbau von PV vorbereitet. Wir haben alleine 2018 acht
neue Mitarbeiter eingestellt und integriert, so dass die DEB in 2020
eine Abwicklungskapazität von 25 - 40 Millionen Euro hat. Zudem
konnte ein Partner gewonnen werden, der über ausreichend Dächer für
100 MW verfügt. Dort liegt der eigentliche Engpass unseres
Geschäftes, den wir nun für Jahre im Voraus beseitigt haben. Es
liegen erfreuliche Jahre vor uns, wir haben alle Vorbereitungen
bereits abgeschlossen und werden unseren kleinen Beitrag zur
vielleicht größten gesellschaftlichen Umwälzung seit der Erfindung
des Automobils beitragen.
Manuela Diehl
Vielen Dank für das informative Gespräch
Pressekontakt:
Deutsche Energie Beratung GmbH
Ove Burmeister 040-60003336
Burmeister(at)deb24.com
Pappelallee 28
22089 Hamburg
www.deb24.com
Original-Content von: DEB Deutsche Energie Beratung GmbH, übermittelt durch news aktuell
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Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Datum: 26.09.2019 - 10:52 Uhr
Sprache: Deutsch
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