"Kirche findet Stadt" / City-Pastoral in Ost und West lässt "nahbaren Gott" erleben
(ots) - Die Situation der Kirche hat sich auch in Mittel-
und Osteuropa in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gewandelt. Die
Großstädte sind davon besonders betroffen. Sie haben sich nach dem
Zweiten Weltkrieg und erneut nach dem Ende der kommunistischen
Gewaltherrschaft vor 30 Jahren stark verändert. Die Kirchen haben mit
neuen Formen und Angeboten der Seelsorge reagiert. Was Urbanität
kennzeichnet, wo Gott darin zu finden ist, wie Städter nach Gott
fragen, was sie heute suchen und welchen Auftrag Christen im
städtischen Alltag haben: Darüber tauschen sich rund 200 Fachleute
aus 30 Ländern beim 23. Internationalen Kongress Renovabis aus. Unter
der Überschrift "Kirche in der Großstadt - Herausforderungen für die
Pastoral in Ost und West" findet er am 11. und 12. September in der
Münchner Hochschule für Philosophie statt.
Mit "Kirche findet Stadt" umschrieb Renovabis-Hauptgeschäftsführer
Pfarrer Dr. Christian Hartl die Entdeckungsreise durch die Metropole
München, die den diesjährigen Renovabis-Kongress mit ausmache: "Sich
auf den Weg in die Stadt machen: suchend, fragend, zuhörend, sich
informierend und reflektierend und betend." Vom Gespräch über
gemeinsame seelsorgerliche Herausforderungen in westlichen wie in
östlichen Großstädten, aber auch von Exkursionen zu Münchner
Pastoralbeispielen, erhofft sich die Osteuropa-Solidaritätsaktion
Renovabis als Kongress-Veranstalter viele weiterführende
Erkenntnisse. Pfarrer Hartl erinnerte daran, dass Papst Johannes Paul
II. bereits 1990 die Großstädte als bevor-zugte Orte der
Evangelisierung charakterisiert hat, deren Kultur und Kommunikation
den Lebensstil und das Lebensgefühl der Bevölkerung maßgeblich
beeinflussen.
Der Renovabis-Kongress nähere sich der Thematik in drei Schritten:
"Zuerst wird beobachtet, was Großstädte ausmacht und wohin sie sich
entwickeln. Dann stellen wir pastoraltheologische Überlegungen zur
Gegenwart Gottes im Getriebe der Metropolen an", so Pfarrer Hartl.
Schließlich würden internationale pastorale Erfahrungen ausgetauscht
und Ansätze der sogenannten Citypastoral reflektiert werden.
Bischof Tomás Holub von Plzen/Pilsen in Tschechien hat
hervorgehoben, dass sein Land keine wirklich großen Metropolen kenne
- mit Ausnahme von Prag. Dort kontrastiere "die Anonymität unter den
Menschen mit einem riesigen Angebot in allen Bereichen, mit pompösen
Macht- und Geldstrukturen - vor den Augen aller". Holub sagte: "Mehr
als die Kirche mit ihrer Struktur sind wir eindeutig dazu berufen, in
unserer Pastoralarbeit Christus als Person zu verkündigen." Dies
ermögliche Zusammenarbeit und aktive Präsenz überall, wo es um den
Menschen und das Gute gehe.
Der Erzbischof von Chicago, Blase Joseph Kardinal Cupich, ergänzte
Aspekte der städtischen Seelsorge in Nordamerika: "In meiner
Erzdiözese kümmern wir uns tagtäglich um Kranke, Obdachlose, Arme,
Arbeitslose, Alte, Migranten und Gefangene. Wir bilden die Jugend aus
und setzen uns für öffentliche Maßnahmen ein, diedas Leben und die
Würde des Menschen fördern und verteidigen, für die Sorge um den
Planeten, für Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt, für die
Wiederherstellung von Gerechtigkeit und für Religionsfreiheit." Beim
Renovabis-Kongress konzentrierte sich der US-Erzbischof auf drei
Herausforderungen; er benannte das sich wandelnde Familienbild, die
Spaltung der Gesellschaft und die Auswirkungen der Krise des
sexuellen Missbrauchs.
"Die alles entscheidende Frage für uns als Kirche in der Metropole
ist, wie wir Menschen helfen können, in ihrem städtischen Wohn-,
Arbeits-, Lebens- und Freizeit-Milieu, Gott zu ent-decken, ihn
wahr-zu-nehmen", sagte der für Renovabis in der Deutschen
Bischofskonferenz zuständige Erzbischof von Berlin Heiner Koch. In
Städten wie Berlin, in denen Gott oft gar nicht mehr gesucht werde,
komme es darauf an, Begegnung und Erfahrungsräume zu öffnen.
Erzbischof Koch sagte: "Wir müssen die halten und stabilisieren, die
als Christen auf dem Weg des Glaubens sind. Sie müssen spüren, wie
gut es ist und gut es tut, in und mit der Kirche zu leben."
Zusätzlich brauche es die offene Gemeinde, die in ihrer Haltung und
in ihrer Sprache, in ihren Gesten und in ihren Aktionen einladend ist
für Menschen, die nicht glauben und die ihre Sprache nicht sprechen
und ihre Gesten nicht verstehen.
Zuvor hatte Angelika Poth-Mögele vom Brüsseler Rat der Gemeinden
und Regionen Europas die Rolle der Großstädte in der Europäischen
Union weltlich-säkular eingeordnet. Während weltweit die
Verstädterung voranschreite, gehe die Entwicklung in Europa eher in
eine andere Richtung: Es gäbe künftig wohl nur wenige Megastädte und
dazu viele mittelgroße und kleinere Städte. Diese würden auch den
ländlichen Raum lebendig erhalten. "55 Prozent der Weltbevölkerung
leben derzeit in Städten (mit mehr als 100.000 Einwohner), in der
Europäischen Union sind es 72 Prozent." In den Städten konzentrierten
sich viele Probleme. Poth-Mögele: "Die (Groß-)Städte sehen sich heute
vielfältigen Herausforderungen gegenüber wie beispielsweise
Bezahlbares Wohnen, Mobilität, alternde Bevölkerung, soziale
Ausgrenzung, Umwelt und Klimawandel." Die Städte trügen aber auch zur
Lösung vieler Probleme bei. Städte könnten sich an die Spitze von
Bewegungen setzen und würden dabei von ihren Bürgerinnen und Bürgern
unterstützt, die sich in Initiativen, Vereinen oder Bündnissen
organisieren, machte Poth Mögele auf zivilgesellschaftliches
Engagement aufmerksam.
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Datum: 11.09.2019 - 14:00 Uhr
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