VDA-Präsident Mattes: "Wir müssen Verhaltensmuster ändern, um diese riesige Herausforderung zu meistern" - Autoindustrie diskutierte mit UMweltverbänden über Klimawandel und Mobilität der Zukunft (AUDIO)
(ots) -
Anmoderation:
Klimaschutz ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit.
Die Staatengemeinschaft hat sich in Paris verbindliche Ziele gesetzt.
Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur soll bis 2050 auf
höchstens 2°C limitiert werden. Die Mobilität von morgen muss
deswegen klimaneutral sein. Was das konkret heißt, darüber wird
kontrovers diskutiert. Dass die Positionen der Automobilindustrie und
der Umweltgruppen in wichtigen Bereichen gar nicht so weit
auseinander liegen, zeigte sich gestern Abend bei der Veranstaltung
"Klimakrise und die Mobilität der Zukunft - Eine öffentliche
Diskussion" in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin.
"Diese Veranstaltung ist eine Sensation", zitierte der Moderator eine
Tageszeitung. Eine Aussage, die sicher dem Teilnehmerkreis geschuldet
ist. Mit dabei, neben dem Verband der Automobilindustrie, BUND,
Campact, VCD, sowie der Gesamtbetriebsrat von BMW und ein
Vorstandsmitglied der Daimler AG. VDA-Präsident Bernhard Mattes
stellte zu Beginn klar, worum es ihm bei diesem Dialog geht:
O-Ton Bernhard Mattes
Mir geht es darum, das ist meine Überzeugung, meine Erkenntnis,
deswegen habe ich auch die Initiative ergriffen, alte
Verhaltensmuster zu ändern, sonst werden wir diese riesige Aufgabe,
die vor uns liegt nicht meistern. Und ich bin zugleich überzeugt,
individuelle Mobilität, Zukunft der Mobilität und Klimaschutz, das
sind zwei Seiten einer Medaille. Und die werden wir aber nur gut
erledigen, gut machen können, wenn alle sich daran beteiligen und wir
es auch gemeinsam schaffen, dass sich alle daran beteiligen. Und
deswegen habe ich auch zu diesem Dialog gebeten. Es geht mir darum,
hier etwas zu beginnen. Das ist auch wichtig. Wenn wir die gesamte
Gesellschaft hin zu einer klimaneutralen Mobilität bringen wollen,
dann müssen alle mitmachen." (0:49)
Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Wie lässt sich der
individuelle Verkehr nachhaltig gestalten - ökologisch, ökonomisch
und sozial? Das waren die Fragen, die vor 200 Zuhörern und vielen
Medienvertretern diskutiert wurden. Es gilt, Wege zu finden, den
Menschen in der Stadt und auf dem Land zukünftig den Zugang zu einer
klimaneutralen, flexiblen, effizienten und bezahlbaren Mobilität zu
ermöglichen. Wie das zu schaffen ist, darüber wurde von den sechs
Podiumsteilnehmern heftig diskutiert. So forderte Kerstin Haarmann,
Bundesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclub VCD endlich den
CO2-Ausstoß zu besteuern
O-Ton Kerstin Haarmann
"Instrumente sind wesentlich wichtiger, um etwas voranzubringen.
Das sehen wir an der Energiewende, denn alle Ziele haben wenig
gebracht. Als es Instrumente gab, erneuerbare Energien gesetzt waren,
ist es vorwärts gegangen. Und deswegen ist die CO2-Bepreisung
wichtig. Und deswegen ist es ganz wichtig, wie das Instrument
aussieht. Es muss schnell wirken und es muss wirklich eine hohe
Lenkungswirkung haben, also ein hoher Preis. Bei Mengenbesteuerung
möchte ich Ihnen widersprechen. Sicherlich muss es bürokratiearm und
durchführbar sein. Und daran werden wir als VCD auch die Regierung
messen, wenn irgendein Instrument verabschiedet wird, mit der
Absicht, Emissionshandel einführen, der ja auch schon im
Energiebereich nicht geklappt hat. Da lässt sich die Politik manchmal
so ein bisschen sehr weit aus und bei den Instrumenten wird manchmal
nicht so genau hingeguckt." (0:42)
Wie die Mobilität der Zukunft aussehen soll, E-Autos, Öffentlicher
Nahverkehr, Carsharing, in diesen Punkten war sich das Podium in
großen Zügen einig. Umstritten dagegen die Wege, die jetzt
einzuschlagen sind. Luise Neumann-Cosel, Teamleiterin der
Organisation Campact plädiert für eine radikale Verkehrswende:
O-Ton Luise Neumann-Cosel
"Wir müssen die Verkehrspolitik ziemlich grundlegend neu denken.
Und da geht es nicht nur um die Frage: Brauchen wir vielleicht einen
CO2-Preis oder einen Emissionshandel? Sondern wir brauchen eine ganz
andere Verkehrspolitik und wir brauchen auch ganz andere drastische
Maßnahmen." (0:13)
Was die Industrie heute schon für die Mobilität der Zukunft auf
den Weg gebracht hat, das zeigte Daimler-Vertriebsvorstand Britta
Seeger auf. Sie konterte souverän den Einwand eines
Podiumsteilnehmers, die deutschen Hersteller hätten den Kunden nichts
anzubieten:
O-Ton Britta Seeger
Die Ziele sind gesetzt. Es ist jetzt an uns, über unseren Hebel
Innovation, die richtigen Produkte für den Kunden zur Verfügung zu
stellen, die seinen Bedürfnissen entspricht. Also das kann
vollelektrisch sein, ein Plug-In-Hybrid sein oder elektrifizierte
Fahrzeuge. Wir bieten jetzt die Produktpalette in unterschiedlichen
Preisklassen an, sodass der Kunde in der Position ist, wählen zu
können. Weil am Ende des Tages all das, was wir mit Klimaschutz
erreichen wollen, viele Millionen Menschen mit uns teilen müssen und
sich gemeinsam mit uns dorthin auf den Weg machen. (0:33)
Für eine radikale Reduzierung des Autobestandes plädierte
Ernst-Christoph Stolper, Stellvertretender Bundesvorsitzender vom
Bund für Umwelt und Naturschutz. Die über 45 Millionen Autos in
Deutschland sind ihm zu viel...
O-Ton Ernst-Christoph Stolper
Hier in Berlin brauche ich kein Auto. Da ist kein Restbedarf. Wenn
ich bei mir auf dem Land bin, dann gibt es schon noch einen
Restbedarf für bestimmte Wege, aber dafür brauchen wir keinen SUV,
der 600 Kilometer fährt und zwei Tonnen schwer ist, auch wenn er mit
Elektromotor fährt. Da brauchen wir kleine Mobile und die bieten sie
nicht an. (0:19)
Manfred Schoch, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von BMW ist ein
überzeugter Befürworter einer konsequenten
Elektromobilitäts-Strategie. Er forderte die deutsche Politik auf,
diese auch vernünftig zu fördern:
O-Ton Manfred Schoch
Wenn Sie heute auf die Internetseiten gehen, was kostet das
Kilowatt für ein Elektromobil? Da finden Sie in München 55 Cent und
in Norwegen kostet das elektrische Fahren gar nichts. Warum fördern
wir nicht diese umweltfreundliche Technologie? Was haben wir
erreicht, wenn wir das Benzin teurer machen und mein Kollege am Band
zu mir sagt: ''Jetzt muss ich fürs Benzin mehr zahlen. Jetzt habe ich
schon zweimal kein Geld mehr fürs Elektroauto. (0:27)
Zwei Stunden wurde fair, aber durchaus kontrovers diskutiert. Und
natürlich gab es auch nach zwei Stunden noch genügend
unterschiedliche Positionen. VDA-Präsident Bernhard Mattes
argumentierte überzeugend und unterstrich: Klimaschutz und
nachhaltige individuelle Mobilität müssen zusammen betrachtet werden.
Beides ist notwendig:
O-Ton Bernhard Mattes
Ich möchte das nochmal zusammenfassen: Die deutsche
Automobilindustrie, und das sind alle Unternehmen und nicht nur die
Hersteller, sondern auch die Zulieferer, wir reden ja nicht nur
davon, dass wir in einer Transformation sind, sondern wir verändern
tatsächlich das Geschäftsmodell der Vergangenheit in ein zukünftiges
Geschäftsmodell. Das Eine ist, dass die Elektromobilität sicherlich
der größte Hebel und jetzt ein großer Fokus ist. Das Zweite ist, wir
gucken aber auch nach weiteren Alternativen, klimaneutralen Antrieben
und auch klimaneutralen Kraftstoffen wie zum Beispiel synthetischen
Kraftstoffen. Und drittens die Vernetzung des Verkehrs, die
Vermeidung von unnötigem Verkehr, gerne auch mal die breitere Spur
für das Rad anstatt für das Auto. Selbstverständlich da wo es Sinn
macht, da wo es vom Verkehrssystem her die richtige Alternative ist.
Für uns ist nachhaltige, individuelle Mobilität nicht nur das Auto,
sondern die Vernetzung aller möglichen Verkehrsträger bis hin zur
Vernetzung zum öffentlichen Nahverkehr, gar keine Frage. Und daran
arbeiten wir auch." (0:58)
Abmoderation
"Klimakrise und die Mobilität der Zukunft - Eine öffentliche
Diskussion" gestern Abend in der Landesvertretung Baden-Württemberg
in Berlin gezeigt. Mit dabei waren neben dem Verband der
Automobilindustrie, Vertreter von Daimler und BMW sowie der BUND,
Campact, und der VCD.
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Datum: 06.09.2019 - 05:00 Uhr
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