"Zeichnen ist für mich wie Atmen und Schreiben": Wie Karl Lagerfeld die Welt der Mode und der Bilder für immer prägte (FOTO)
(ots) -
Wenn am 23. September die Prêt-à-porter-Schauen in Paris beginnen,
wird sich in die Vorfreude auf die neuen Looks auch Wehmut mischen -
der Schmerz über den Verlust Karl Lagerfelds sitzt tief.
Ausschließlich nach vorn schauend, erfand er die Mode und die
Bildsprache immer wieder neu - und schuf damit einen einzigartigen
künstlerischen Kosmos.
"Ich habe nie Zeichnen gelernt", hatte Karl Lagerfeld einmal in
einem Interview mit dem Schreibgerätehersteller Faber-Castell
erklärt. Das war auch nicht nötig, schließlich malte der 1933 als
Sohn des Glücksklee-Dosenmilchfabrikanten Otto Lagerfeld in Hamburg
geborene Karl von klein auf mit schlafwandlerischer Sicherheit.
"Sobald er einen Stift halten konnte", erinnerte sich seine Schwester
Christiane, "begann er zu zeichnen". Inspiriert von alten
"Simplicissimus"-Ausgaben, wollte er zunächst Karikaturist werden,
später Modezeichner. Um sich als Fashion-Illustrator auszuprobieren,
zog der jugendliche Karl mit seiner Mutter Elisabeth nach Paris. Und
dort verschaffte ihm tatsächlich eine Skizze den Zugang zur Welt der
Couture: 1954 gewann er für den Entwurf eines gelben Mantels den
Preis des "Internationalen Wollsekretariats". Produziert wurde das
Stück von Pierre Balmain, der dem 21-jährigen gleich einen
Ausbildungsplatz anbot. Schon bald wechselte das junge Talent zu Jean
Patou, wurde künstlerischer Direktor und verantwortete 1958 die erste
eigene Kollektion - der in den nächstens sechs Jahrzehnten unzählige
für verschiedenste Labels folgen sollten.
Auf dem Thron der Couture
"Ich rede schnell, und ich zeichne schnell": Was man heutzutage
"Multitasking" nennt, lebte Lagerfeld von Anfang an - mit Tempo und
Freude. So war er parallel zu seinem Job bei Patou für das
renommierte, allerdings ein wenig verstaubte Label Chloé tätig. Dort
gelang ihm erstmals das, was ihn in der Modewelt so einzigartig
machte: Wie kein zweiter Designer vermochte es Karl Lagerfeld, die
DNA und Geschichte einer Marke im Kern zu erhalten, sie dabei aber
gleichzeitig konsequent zu modernisieren. Dieses elektrisierende
Zusammenspiel zwischen Rückbesinnung und Überraschung begeisterte
traditionelle ebenso wie Heerscharen neuer Kundinnen. So verjüngte er
erst Chloé, so verlieh er der italienischen Luxusmarke Fendi neue
Sinnlichkeit - und so machte er ab 1983 Chanel zur Mega-Brand. Zwar
ließ er Cocos Stilcode mit Goldakzenten, Perlen, dem kleinen
Schwarzen und den Bouclé-Tweedjacken unverändert, interpretierte ihn
jedoch in jeder Saison aufregend anders - mal mit Pailletten, mal mit
Shorts, mal mit Logo-Bikinis. Zeitgemäß waren auch die Shows:
Lagerfeld inszenierte Mondlandschaften, Mall-Szenerien und
Straßen-Demos, schickte Supermodels von Claudia Schiffer bis Cara
Delevingne über die Laufstege, vermählte beim Soundtrack Pop mit
Klassik und für die Kulissen japanische Manga-Comics mit Motiven von
Matisse. Dass er bei allem Spektakel die Näherinnen und Handwerker
der Couture-Ateliers nie vergaß, verhalf dem Hamburger in Paris zu
noch mehr Anerkennung - und zum Ehrentitel "Karl der Große".
Mode, Bilder, Bücher: kreatives Multitalent
Wahrhaft königlich war auch sein Arbeitspensum: Lagerfeld
verantwortete alle Sparten und Kollektionen von Chanel, brachte zwei
Fendi-Kollektionen pro Jahr heraus, dazu die seines eigenen Labels -
dieser enorme kreative Output schien ihn jedoch nicht zu ermüden,
sondern immer weiter zu befeuern: Der Designer brillierte auch als
Fotograf, entwickelte Werbekampagnen, veröffentlichte Bildbände und
gründete, selbst ein Büchernarr mit einer rund 300 000 Werke
umfassenden Privatbibliothek, einen Verlag mit den Schwerpunkten
Literatur, Biografie, Mode, Kunst, Ästhetik und Musik. "Bücher wie
Mode waren für ihn Medien des perfekten Zusammenklanges von Ideen,
Materialien und Handwerk", erklärte Co-Verleger Gerhard Steidl.
Ausgangspunkt und Inspirationsquelle war und blieb bei jedem neuen
Titel, jedem neuen Projekt, jedem neuen Entwurf: Lagerfelds kreative
Arbeit mit Stift und Papier. "Das Zeichnen ist für mich wie Atmen und
Schreiben", sagte er. "Das sind Tätigkeiten, die mich beinahe
entspannen".
Die Karlbox: Stifte in Haute Couture
Bei aller Entspanntheit achtete der Modeschöpfer, der sich stets
als Illustrator, nicht als Designer bezeichnete, auf extrem
professionelles Handwerkszeug: Das richtige Papier (bevorzugt von der
bayerischen Büttenpapierfabrik Gmünd) sollte es sein; besonders
wichtig aber waren natürlich die Stifte. Seit seiner Kindheit mit den
Produkten von Faber-Castell vertraut, verwendete Karl Lagerfeld sie
von Anfang an in seinem Berufsleben. "Das Unternehmen macht seinem
Ruf auch heute noch Ehre", erklärte er, "insbesondere die Mal- und
Zeichenstifte für Künstler sind unübertroffen". So vielseitig wie
seine Talente war auch seine Verbindung zu dem
Schreibgerätehersteller aus Stein bei Nürnberg: Lagerfeld fungierte
als Testimonial für die Albrecht Dürer-Aquarellstifte. Im September
2016 folgte seine erste eigene "Kollektion" für Faber-Castell, die
Karlbox. Diese exklusive Sammlung präsentiert sich gewissermaßen als
Haute-Couture-Version des Künstlerbedarfs: Die vom Designer selbst
entworfene Holzbox in tiefem Schwarz, deren Design an einen
chinesischen Hochzeitsschrank erinnert, beinhaltet 350 erstklassige
Mal- und Zeicheninstrumente. Dazu gehören Albrecht Dürer und
Polychromos Künstlerfarbstifte, hochpigmentierte Pitt Artist Pen
Tuschestifte, Castell 9000 Bleistifte, Pitt Farb- und Pastellstifte,
ein Aquarellpinsel, ein faltbarer Wasserbecher, Radiergummi und
Spitzer. Lagerfeld legte die Auswahl an Stiften und Kreiden sowie
deren Sortierung nach Farbtönen in den herausnehmbaren Schubladen
persönlich fest.
Ein Look wie gemalt
Opulent und gleichzeitig absolut effizient sollten für ihn die
Dinge des Lebens sein. Unnötigen Ballast, Ablenkung vom Wesentlichen,
ertrug er nicht. "Ich sah mich im Spiegel mit Hanteln hantieren und
merkte plötzlich, wieviel Zeit mir dieses Tun raubt", erklärte er
seinen radikalen Abschied vom Kraftsport als junger Mann. Ebenso
konsequent unterzog er sich, Jahre später, einer strengen Diät, dank
der er schließlich in die extrem schmalgeschnittenen Anzüge des
damaligen Dior-Homme-Designers Hedi Slimane passte. Statt Nikotin
oder Alkohol hieß seine "Droge" Cola light. Und mochten seine Mode-
und Beauty-Inszenierungen bei Chanel so facettenreich wie nur möglich
sein - für sich selbst hatte er früh einen Look gewählt, dem er treu
blieb: weißer Mozartzopf, schwarze Brille, hoher Kragen. So war ein
wichtiges Kriterium erfüllt: "Ich kann mich in drei Sekunden
zeichnen". Mit diesem leichten, eleganten Strich, den man nicht
erlernen kann.
Faber-Castell ist eines der weltweit führenden Unternehmen für
hochwertige Produkte zum Schreiben, Zeichnen und kreativen Gestalten
sowie dekorativer Kosmetikprodukte. Mit über zwei Milliarden Blei-
und Farbstiften pro Jahr und rund 8.000 Mitarbeitern ist
Faber-Castell der bedeutendste Hersteller von holzgefassten Stiften
weltweit. Heute ist das Unternehmen in über 120 Ländern vertreten und
verfügt über eigene Produktionsstätten in neun sowie
Vertriebsgesellschaften in 22 Ländern weltweit. Das 1761 gegründete
Industrieunternehmen Faber-Castell ist eines der ältesten der Welt
und seit neun Generationen im Besitz derselben Familie. Seine
führende Position auf dem internationalen Markt verdankt das
Unternehmen der traditionellen Selbstverpflichtung zu höchster
Qualität und der großen Zahl von Produktinnovationen.
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Datum: 05.09.2019 - 12:08 Uhr
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