Mittelbayerische Zeitung: Maßstäbe gesetzt / Uli Hoeneß tritt ab. Der FC Bayern und der deutsche Fußball haben ihm sehr viel zu verdanken - auch wenn die Haftstrafe einen Schatten auf sein Lebenswerk wirft. Von Heinz Gläser
(ots) - Es war an der Zeit. Das Grummeln im Bayern-Volk
war spätestens seit der vergangenen Jahreshauptversammlung
unüberhörbar, und diese schwer greifbare Unzufriedenheit speiste sich
nicht nur aus purem Überdruss. Das Ende der scheinbaren
Endlos-Regentschaft des Uli Hoeneß naht, im November tritt er nicht
mehr als Präsident des Rekordmeisters aus München an. Der FC Bayern
und der deutsche Fußball haben dem 67-Jährigen unendlich viel zu
verdanken. Es gilt, sich vor einem Lebenswerk zu verneigen - auch
wenn dieses tiefe Kratzer abbekommen hat, die sich nicht kaschieren
lassen. Uli Hoeneß bestimmt den Zeitpunkt seines Abgangs immerhin
selbst. Das ist nicht jedem vergönnt. Die Beispiele starrköpfiger
Alleinherrscher, die sich an Amt und Würden klammern, obwohl ihr
Abschied gleichsam herbeigesehnt wird, sind Legion. Hoeneß hat eine
ganze Fußballepoche geprägt, und er hinterlässt überdies ein
geordnetes Haus, finanziell wie - aktuell mit geringen Abstrichen -
sportlich. Hoeneß hat Maßstäbe gesetzt. Er verwandelte einen etwas zu
groß geratenen Fußballverein in ein grundsolide geführtes
Wirtschaftsunternehmen, ohne dabei die Seele des Klubs zu verspielen.
Zuletzt wirkte der Patron allerdings irgendwie aus der Zeit gefallen.
Er hatte seine Ära überdehnt. Seine Rückkehr aus der Haftstrafe wegen
Steuerhinterziehung an die Spitze des deutschen Renommiervereins und
unangefochtenen nationalen Branchenführers war vermutlich allein
seinem unbedingten Willen geschuldet, sein Bild in der Geschichte des
FC Bayern selbst zu vollenden und die Deutungshoheit über sein Wirken
nicht anderen, durchaus kritisch eingestellten Geistern zu
überlassen. Mit Ex-Adidas-Chef Herbert Hainer tritt ein erfahrener
Mann aus der Wirtschaft in die großen Fußstapfen. Der 65-Jährige
bringt zudem großen Fußball-Sachverstand mit. Er ist eine sehr gute
Wahl - auch, weil er weniger polarisierend auftreten wird. Für die
von Hoeneß über Jahrzehnte angeführte "Abteilung Attacke" läuft sich
derweil Oliver Kahn warm, wenn sich mit Karl-Heinz Rummenigge in
nicht allzu ferner Zeit der zweite Bayern-Lenker in den Ruhestand
verabschieden wird. Hoeneß und Rummenigge zogen zuletzt nicht mehr an
einem Strang, pflegten spätestens seit Hoeneß'' Haftstrafe eine
distanzierte Zweckgemeinschaft. Beide spielten den Zwist stets
herunter, doch die Meinungsverschiedenheiten wuchsen sich immer mehr
zu einer internen Hypothek aus. Mit dem Duo Herbert Hainer und Oliver
Kahn sind die Bayern zumindest vom Renommee und von den fachlichen
Voraussetzungen her optimal für eine durchaus schwierige Zukunft
aufgestellt. National dürfte ihre Vormachtstellung in absehbarer Zeit
kaum ins Wanken geraten, selbst wenn sich ausnahmsweise mal wieder
Borussia Dortmund oder gar ein anderer der zuletzt weit abgehängten
Konkurrenten die Meisterschale vorübergehend in die Vitrine stellen
darf. International indes stehen die Münchner am Scheideweg. Ihrem
Selbstverständnis und Anspruch nach können sie sich nicht dauerhaft
hinter den finanzstarken Klubs aus England und Spanien einreihen.
Halbwegs die Augenhöhe mit der Premier League, Real Madrid, dem FC
Barcelona oder auch Paris St. Germain zu wahren, muss das
vordringliche Ziel der Hoeneß-Erben sein. Herbert Hainer und den
"Titan" Kahn erwartet in diesem Bereich eine Herkulesaufgabe. Enorm
spannend wird sein, ob und wie Hoeneß im Hintergrund agieren wird.
Schwer vorstellbar, dass er als einfaches Mitglied des Aufsichtsrats
oder vom Ruhesitz am Tegernsee aus das Treiben seiner Nachfolger
kommentarlos verfolgt. Nörgelnde Granden vergangener Glanzzeiten
beherbergt der Fußball jedoch schon mehr als genug. Uli Hoeneß sollte
sich das ersparen - sich selbst, dem FC Bayern und uns.
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