Mittelbayerische Zeitung:Österreich versinkt im Sumpf / Die Serie von Skandalen reißt nicht ab: Nach Ibiza-Gate und der Schredder-Affäre geht es jetzt um Postengeschacher in Casinos. Von Adelheit Wölfl
(ots) - Eigentlich sollte es um eine Steuerreform, den
Kampf gegen illegale Migration und den politischen Islam gehen. Aber
die Konservativen in Österreich schaffen es nicht wirklich, vor den
Wahlen am 29. September die Agenda zu setzen. Stattdessen wird die
ÖVP von der eigenen Vergangenheit mit dem Koalitionspartner FPÖ
eingeholt. Vergangene Woche bezeichnete die ÖVP Berichte über
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sogar als "unglaublichen
Schmutzkübel-Wahlkampf", ganz so als würde die staatstragende
Kanzlerpartei plötzlich nicht mehr der unabhängigen Justiz vertrauen.
Dabei geht es darum, dass die Ermittler einen Zusammenhang zwischen
dem "Ibiza-Video" und dem Schreddern von Festplatten aus dem
Kanzleramt seitens eines ÖVP-Mitarbeiters nicht ausschließt. Nach dem
Ibiza-Gate und dem Casinos-Skandal ist nämlich die Schredder-Affäre
das dritte Thema, das die Österreicher zur Zeit beschäftigt. Und alle
drei Themen haben miteinander zu tun: Immer geht es um parteiische
Einflussnahme. Die Schredder-Affäre ist vor allem peinlich. Am 17.
Mai wurde das Ibiza-Video veröffentlicht. Fünf Tage danach rief ein
Mann, unter dem Namen Walter Maisinger bei der
Aktenvernichtungs-Firma Reißwolf in Wien an und erklärte, dass er
Festplatten schreddern, aber bei der Vernichtung anwesend sein wolle.
Er war tatsächlich Mitarbeiter im Bundeskanzleramt unter Sebastian
Kurz und heißt Arno M. Der nervös wirkende Mann jagte fünf
Festplatten drei Mal durch den Schredder. Am Ende blieb nur Staub
übrig, aber selbst diesen nahm Arno M. - alias Walter Maislinger -
wieder mit, so als habe er Angst gehabt, dass man aus dem Schmutz
noch etwas rekonstruieren könne. Allerdings vergas er die Rechnung zu
bezahlen und die Schredderfirma kam ihm auf die Schliche. Die
Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hält nun -
offensichtlich auch wegen der zeitlichen Nähe - einen Zusammenhang
zwischen der Datenvernichtung und dem Ibiza-Video für möglich. Es
sieht jedenfalls so aus, als wolle die ÖVP etwas verheimlichen. Über
dem Haupte des jungen strahlenden Prinzen Sebastian Kurz ist es
zwielichtig geworden. Die ÖVP ist jedoch über den Verdacht so empört,
dass sie sogar rechtliche Schritte androht. Man habe "mit dem
Ibiza-Video und einer möglichen illegalen Parteienfinanzierung der
FPÖ nichts zu tun", hieß es. "Wer etwas anders behauptet wird
geklagt." Gelassenheit sieht anders aus. Es gibt jedenfalls viel
aufzuklären in Österreich. Bislang redet man noch nicht viel über die
politische Kultur, die zum Vorschein kommt. Und auch nicht darüber,
wieso die beiden ehemaligen Regierungsparteien nun mit Glücksspiel in
Verbindung gebracht werden, das eigentlich als sittenlos gilt. Für
Glücksspiel Geld auszugeben, wird in Österreich "Deppensteuer"
genannt. Für die Republik ist es aber ein leichtes Einkommen. Die
Casinos Austria gelten als einer der größten österreichischen
Steuerzahler. Das Unternehmen gehört zu 33,24 Prozent dem Staat;
17,19 Prozent gehören dem Glücksspiel-Unternehmen Novomatic. Im Mai
wurde nun die Ex Vizechefin der ÖVP, Bettina Glatz-Kremsner zur
Generaldirektorin und der FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo zum Finanzchef
der Casinos Austria bestellt - und dies obwohl, es Zweifel an seiner
Qualifikation gab. Die Postenbesetzungen spiegelten die neuen
Machtverhältnisse in Österreich wieder. Kürzlich tauchte nun der
Verdacht auf, dass Sidlo den Job wegen einiger Gegengeschäfte mit der
FPÖ bekommen haben könnte. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft
vermutet, dass Novomatic der Bestellung Sidlos zugestimmt haben
könnte, weil die Freiheitlichen vorher Glücksspiel-Lizenzen in
Aussicht gestellt haben könnten. Vergangene Woche kam es in der Causa
zu Hausdurchsuchungen bei den Ibiza-Video-Stars, Heinz-Christian
Strache und Johann Gudenus, aber auch bei Novomatic selbst. Die
Handys von Strache und Gudenus wurden beschlagnahmt, Laptops
konfisziert. Die Ermittlungen sind auch deshalb so brisant, weil
Strache und Gudenus in dem Ibiza-Video Gegengeschäfte für politische
Willfährigkeit versprochen hatten. Der Postenschacher würde also
genau zu ihren eigenen Angebereien passen.
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