Mittelbayerische Zeitung: Wer organisiert ein Woodstock II?/50 Jahre nach dem Festival für Frieden und Musik braucht Amerikas Gesellschaft eine neue Bewegung gegen Ungerechtigkeit und Hass. Von Manfred Saurerer
(ots) - Das Woodstock-Festival fand genau vor 50 Jahren
statt. Eigentlich standen kommerzielle Interessen hinter der Idee,
die damals besten Bands und Musiker zusammenzubringen. Und es gab
schreckliche organisatorische Pannen, weil man kurzfristig an einen
anderen Ort ausweichen musste und offenbar keiner wusste, wie man die
Anreise von 400 000 Menschen organisiert und sie versorgt. Aber es
wurden dann doch Tage des Friedens und der Musik, wie die
Veranstalter versprochen hatten. Die Festival-Besucher mögen auf dem
Höhepunkt der Hippie-Bewegung zu viele Drogen genommen und
unbeschwerten Sex gehabt haben, aber sie wollten auch, dass sich
etwas ändert im Land. Sie fühlten sich als Teil von etwas Großem.
Blickt man heute auf dieses Land, möchte man ihm wieder etwas Großes,
wieder ein Woodstock wünschen. "Viele Probleme, über die wir uns
damals Sorgen gemacht haben, sind zurück", sagt Mit-Organisator
Michael Lang und meint damit vor allem die Spaltung der
US-Gesellschaft etwa in Bezug auf den Umgang mit Migranten und das
Rassen-Thema. Er meint auch seinen Präsidenten Donald Trump, dem der
Klimawandel egal ist. Dabei gab es 1969 in den Staaten schon Anfänge
der Umweltbewegung, die Hippies zog es in die Natur. Gleichzeitig
waren Hoffnungen zerstoben. Die Bürgerrechtsbewegung stand noch unter
dem Schock der Morde an Martin Luther King und Bobby Kennedy ein Jahr
zuvor. Und dann war da dieser Krieg, den die Vereinigten Staaten in
Vietnam führten. Am Ende hatten dort 58 000 US-Soldaten ihr Leben
verloren, 150 000 waren verwundet worden, hunderttausende
traumatisiert. Auch heute befinden sich die USA in einer Art Krieg,
einem Wirtschaftskrieg. Gegner sind vor allem China und die EU, die
Waffen sind Zölle. Kein US-Soldat kommt dabei tot im Sarg zurück,
daher ist es schwierig, einen Ansatz für eine neue Bewegung für
Frieden und Freiheit zu finden. Und trotzdem blickt die Nation wieder
auf Särge. Offener Rassismus bricht sich in Gewaltakten und
Amokläufen Bahn, zuletzt in El Paso und Dayton mit 29 Toten. Das
politische Klima in den USA ist heute wie vor 50 Jahren vergiftet.
Trump arbeitet unbeirrt an einem Amerika, das vor allem an sich denkt
und von weißen, möglichst reichen Männern beherrscht wird. Damit hält
er seine Wähler- und Fan-Basis. Allzu laxe Waffengesetze will der
Präsident nicht angehen, für die Opfer dieser Politik zeigt er wenig
Empathie. Ungerechtigkeit, Gewalt, Hass sind also wieder da 50 Jahre
nach Woodstock. Die Folk-Sängerin Joan Baez stand damals mitten in
der Nacht auf der Bühne, schwanger im sechsten Monat. Sie sang "We
Shall Overcome" (Wir werden es überwinden), das wohl bekannteste
Protestlied. Das machte nicht nur denjenigen unter den 400 000 Mut,
die noch wach waren. Das ganze Festival gab trotz seiner
Unzulänglichkeiten, einer Portion Pech mit dem Wetter, aber einer
zutiefst friedlichen Ausstrahlung zumindest kurzzeitig denjenigen
Rückenwind, die sich in Frauen-, Bürgerrechts- und Friedensbewegungen
engagierten. Wo sind heute die Impulse für eine Bewegung, die
Lösungen befördert? Wer organisiert das neue Woodstock? Die
Kommunikation wäre ungleich einfacher als 1969. Die sozialen Medien
etwa sind nicht nur eine leider zu oft genutzte Plattform für
Hassbotschaften, sondern wären ideal für eine breit angelegte
Kampagne für Frieden und Ökologie, gepaart mit dem Aufruf zur
Solidarität - mit Minderheiten, Rassen, der Weltgemeinschaft
insgesamt. Woodstock bleibt natürlich auch wegen seiner musikalischen
Höhepunkte in Erinnerung. Zu wenige davon sind durch den
gleichnamigen Film und den Soundtrack überliefert. Aber Jimmy
Hendrix'' Version der US-Nationalhymne, Joe Cockers "With a Little
Help from My Friends" oder das irrwitzige Gitarrenspiel von "Ten
Years After"-Frontman Alvin Lee haben sich ins Gedächtnis
eingebrannt. Der Titel, den Lee auch sang: "I''m Going Home" - eine
Aussage, die sich Donald Trump zu Eigen machen könnte.
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