Westdeutsche Zeitung: Von der Leyen gewählt - Europa muss jetzt
mehr Demokratie wagen
(ots) - Von Rolf Eckers
Ursula von der Leyen hat es geschafft. Die 60-Jährige
CDU-Politikerin wird als erste Frau an der Spitze der EU-Kommission
stehen. Sie ist durch und durch proeuropäisch und verspricht, das
entscheidende Thema der Wahl ernst zu nehmen - den Klimaschutz. Diese
gute Nachricht wird allerdings erheblich von der Tatsache getrübt,
dass die Personalie das Ergebnis einer undurchsichtigen, zutiefst
undemokratischen Hinterzimmer-Diplomatie ist. Die Spitzenkandidaten
der Europawahl wurden von den Staats- und Regierungschefs einfach so
aussortiert. Einmal mehr dominierten dabei nationale Interessen. Eine
seltsame Allianz aus dem liberalen französischen Präsidenten Emmanuel
Macron und dem Rechtsnationalen Ungarn Viktor Orbán spülte
schließlich von der Leyen nach oben.
Trotzdem ist es wichtig, dass die Deutsche bei der Abstimmung im
Parlament eine Mehrheit gefunden hat. Ihr Scheitern hätte Europa auf
Monate hinaus blockiert. Und das Gefeilsche zwischen Rat und
Parlament um Posten und Personen hätte die neue Lust auf Europa
wieder zerstört. Eine Niederlage von der Leyens wäre zudem ein
Triumph der Feinde Europas gewesen - quasi als Beweis, dass die
Proeuropäer unfähig zur Einigung sind.
Nun ist die Chance groß, rasch wieder eine handlungsfähige
Kommission am Start zu haben. Arbeit für die EU-Regierung gibt es
reichlich. Das Thema Brexit kommt in wenigen Wochen zurück. Mit
großer Wahrscheinlichkeit wird Boris Johnson der neue britische
Premier sein. Und er will seinen Landsleuten zeigen, wie man Brüssel
in die Knie zwingt. Dieses Ziel verfolgt auch Donald Trump mit seinen
Strafzöllen auf europäische Autos. Die EU muss sich mit diesen
Herausforderungen und nicht mit sich selbst beschäftigen.
Obwohl es mit der Wahl von der Leyens geklappt hat, lernen wir aus
den vergangenen Wochen, dass die EU in dieser Verfassung nicht
wirklich weiter kommt. Der Rat der Staats- und Regierungschefs bildet
das Machtzentrum. Und dort sitzen Politiker, die in erster Linie
nationale Interessen und heimische Wähler im Blick haben. Daher
einigen sie sich zu oft auf den kleinsten gemeinsamen Nenner oder
überhaupt nicht. So ist es in der Asylpolitik. Und so wird es sein,
wenn es beim Klimaschutz zum Schwur kommt.
Der Zwang zur Einstimmigkeit in zentralen Fragen ist falsch, die
Mehrheit sollte reichen. Hilfreich wäre auch, Macht vom Rat auf das
Parlament zu übertragen. Die Abgeordneten müssen das Recht bekommen,
Gesetzesinitiativen zu ergreifen und die Spitze der EU-Kommission zu
nominieren. Europa sollte mehr Demokratie wagen.
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Datum: 16.07.2019 - 19:51 Uhr
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