Neue Westfälische (Bielefeld): Europaparlament entscheidet über Kommissionspräsidentin
EU im Teufelskreis
Thomas Seim
(ots) - Wenn am Dienstag das Europaparlament über das
Amt der Kommissionspräsidentin entscheidet, entsteht mit großer
Wahrscheinlichkeit größter politischer Schaden. Für die Kandidatin,
für das Europaparlament, für die Kommission, für die Europäische
Union insgesamt. Richtig ist der Vorhalt von Kritikern, dass die
Staats- und Regierungschefs mit der amtierenden deutschen
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Kandidatin zur Wahl
vorgeschlagen haben, über die die Wähler nicht entscheiden durften.
Richtig ist auch, dass die Staats- und Regierungschefs sich wieder in
Kungelrunden der Hinterzimmer-Diplomatie wichtiger nehmen als die
demokratische Wahlentscheidung. Das hilft weder der Stabilisierung
des Vertrauens in Rechtsstaatlichkeit, noch stärkt es die Akzeptanz
der EU insgesamt und der Kommission insbesondere. Der Schaden wird
größer, wie immer die Wahl ausgeht. Wird Frau von der Leyen
bestätigt, geschieht dies voraussichtlich mit den Stimmen der
rechtskonservativen Regierungen, die Europa in dieser Form nicht mehr
wollen. Dazu wird das demokratische Prinzip einer Wahl gleich doppelt
beschädigt: Über die neue Kommissionspräsidentin durften dann nicht
nur die Bürgerinnen und Bürger nicht entscheiden. Mit Frau von der
Leyen würde sich außerdem eine Minderheit der rechtskonservativen
Staatsregierungen gegen die Mehrheit durchsetzen. Das demokratische
Prinzip wäre ebenso beschädigt wie das Friedensprojekt EU. Der neue
Nationalismus, den die rechtskonservative Parteienfamilie befördern
will, verstärkt dazu das Risiko des vollständigen Scheiterns der EU,
der alte Kontinent droht in Bedeutungslosigkeit zu zerfallen. Wird
Frau von der Leyen nicht vom Parlament bestätigt, fällt Europa wieder
in eine neue Phase der Macht-, Plan- und Handlungslosigkeit. Nicht
nur wird dies US-Präsident Trump, Kreml-Chef Putin und Chinas
Staatschef Xi Jinping gefallen. Auch die Menschen in Europa werden
sich einmal mehr enttäuscht abwenden. Das Kind EU liegt nun also im
Brunnen - und niemand scheint zu wissen, wie man ihm da heraus hilft.
Frau von der Leyen immerhin hätte eine Option, den Teufelskreis zu
durchbrechen. Sie könnte dem Rat des SPD-Fraktionsvize Achim Post
folgen und erklären, dass sie keine Mehrheit akzeptiert, die nur
durch die anti-europäische Rechte um die Herren Orban (Ungarn),
Kaczynski (Polen) und Salvini (Italien) zustande kommt. Das wäre
vielleicht ein Impuls, der eine neue Beweglichkeit ermöglichte. Es
wäre nur ein Anfang, nicht mehr. Aber ein Anfang.
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Datum: 14.07.2019 - 20:05 Uhr
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