Kölnische Rundschau: zu 50 Jahre Mondlandung von Apollo 11
(ots) - Kreative Verschwendung
Raimund Neuß
über Expeditionen zum Mond
Was hat das nun gebracht? Zwei Jahrzehnte lang haben die USA
Milliardensummen in ihr Mondfahrtprogramm gepumpt. Mehr als vier
Prozent des gesamten Staatshaushaltes flossen Mitte der 1960er Jahre
an die Raumfahrtbehörde Nasa. Bis heute streiten sich die Gelehrten,
ob man das, was bei den bemannten Mondmissionen herausgefunden wurde,
nicht auch mit Landerobotern zu einem Bruchteil des Preises hätte
feststellen können. Wenn es denn überhaupt so wichtig war. War das
Ganze nicht nur eine irrwitzige Verschwendung von Ressourcen,
motiviert durch das zentrale Ziel, die Sowjetunion propagandistisch,
technisch und damit auch militärisch zu deklassieren? Und müssen sich
Institutionen wie die Nasa und die europäische Raumfahrtbehörde Esa
die Frage nach Kosten und Nutzen nicht erneut gefallen lassen, wenn
sie wieder bemannte Mondmissionen propagieren, gar als Vorstufe zu
einer Marsexpedition? Das Verschwenderische hat bemannte Raumfahrt
mit den meisten kulturellen Leistungen gemein. Warum restaurieren die
Niederlande für vier Millionen Euro Rembrandts "Nachtwache", warum
jagen wir Elementarteilchen durch Magnetröhren, betreiben
Papyrologie, Opernhäuser oder Tiefseeforschung? Bemannte Raumfahrt
ist nur eine besonders provokante Form solchen Güterverbrauchs, der
in keinem ökonomisch rationalen Verhältnis zum Nutzen steht.
Natürlich bedient die Raumfahrt auch wirtschaftliche und militärische
Interessen. Und ja, die beim Apollo-Programm entstandenen Aufnahmen
des "Blauen Planeten" sind zu Ikonen der Umweltbewegung geworden.
Aber das wäre vielleicht auch billiger gegangen. Wer immer zuerst die
Frage nach dem praktischen Nutzen stellt, wird wissenschaftlich nie
weit kommen. Der optimiert Bekanntes, erfindet aber nichts
Unerwartetes. Von Nutzwert her gedacht ist jede Grundlagenforschung
überflüssig. Niemand braucht zu wissen, wie es in tiefen Schichten
des Mondgesteins aussieht, woher die sumerische Sprache stammt oder
ob es unendlich viele reguläre Primzahlen gibt. Wer so etwas trotzdem
erkundet, dem geht es darum, den heute bekannten Horizont zu
verlassen und zu suchen, ohne bereits definiert zu haben, was zu
finden ist. Nur diese Offenheit fürs radikal Neue, die Reise ins
Unabsehbare bieten die Chance auf wissenschaftliche und technische
Quantensprünge.
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Datum: 12.07.2019 - 06:00 Uhr
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