Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel: So verspielt die EU Vertrauen/Mit dem Scheitern von Manfred Weber muss die CSU eine gewaltige Schlappe wegstecken. Doch den größeren Schaden trägt Europa davon von Claudia Bockholt
(ots) - Nun bestätigt sich, was die Spatzen seit Wochen
von den Brüsseler Dächern pfeifen: Manfred Weber ist im Rennen um die
besten EU-Posten unter die Räder geraten. Natürlich: Der Europäische
Rat ist an das Votum der Wähler, die der EVP und ihrem
Spitzenkandidaten im Mai die meisten Stimmen gaben, nicht gebunden.
Dennoch dürfte das Postengeschachere der vergangenen Tage die Lust am
europäischen Prozess nicht beflügeln. Eines tritt deutlich zutage:
Wie uneins sich die Staats- und Regierungschefs tatsächlich sind. Das
lässt für die kommende Legislatur nichts Gutes hoffen. Denn, Hand
aufs Herz, wo hat die Europäische Union in den vergangenen Jahren
nicht nur Harmonisierung gepredigt, sondern echte Harmonie an den Tag
gelegt? Es ist ein bedrückender Umstand, dass ausgerechnet am
Wochenende des entscheidenden EU-Gipfels die deutsche Kapitänin eines
Flüchtlingsrettungsschiffs auf italienischem Boden verhaftet wird.
Auf diesem wichtigen politischen Feld zeigt sich die Gespaltenheit
der EU besonders drastisch. Spätestens seit 2015 müsste eine
gesamteuropäische Lösung für die Migrationsfrage gefunden werden.
Nichts Greifbares ist seither geschehen. Als die größte Krise der EU
noch Rettungsschirm hieß, war Kanzlerin Angela Merkel die strahlende
Retterin und Heldin - außer in Griechenland selbst, wo sie als
unbarmherzige Spar-Diktatorin angeprangert wurde. Doch der
Strahlenkranz um ihr Haupt ist verblasst. Vor neun Jahren hätte ein
französischer Regierungschef, damals hieß er noch François Hollande,
es wohl nicht gewagt, den Spitzenkandidaten der Union öffentlich zu
zerlegen. Heute darf Emanuel Macron dem CSU-Politiker Weber
attestieren, für das herausragende Amt ungeeignet zu sein - und
Merkel widerspricht nicht, zumindest nicht hörbar. Die
Bundeskanzlerin hält ihre Karten im Postenpoker verdeckt. Schon vor
der Europawahl wurde kolportiert, dass sie gerne bereit sei, Manfred
Weber zugunsten eines deutschen EZB-Chefs zu opfern. Blut ist dicker
als Wasser? Keineswegs. Die Loyalität mit der Schwesterpartei ist für
Angela Merkel - nicht erst seit den heftigen Auseinandersetzungen mit
Horst Seehofer - verhandelbar. Allerdings: Wäre Jens Weidmann ein
erfolgreicher Sachwalter Deutschlands, des größten Nettozahlers in
der EU, wäre ihr Plan gar nicht so verkehrt. Immerhin sorgt die nicht
nur von Paris kritisierte deutsche Wirtschaftspolitik für einen
großen Teil der Milliarden, die die auseinanderdriftenden Interessen
im EU-Raum notdürftig zusammenhalten. Die Geldpolitik, die schwächere
Länder stabilisiert, kostet die deutschen Sparer bisher 358
Milliarden Euro. Dieser "Zinsschaden" ergibt sich laut Berechnung der
DZ Bank aus dem Verlust von 648 Milliarden Geldvermögen abzüglich 290
Milliarden Euro Zinsersparnis. Selbst die überzeugtesten Europäer
unter den Deutschen haben gute Gründe, sich verschaukelt zu fühlen.
Der Spitzenkandidat, der keiner sein soll, fügt nur einen weiteren
hinzu. Dabei hatte die EU selbst in einem Erklärvideo auf der
Webseite versichert, dass das Wahlergebnis zählen soll. Auf dessen
Basis werde der Europäische Rat dem Parlament den Kandidaten für das
Amt des Kommissionspräsidenten vorschlagen. Pustekuchen! Nun soll die
Position an die Fraktion gehen, die bei der Wahl weniger Stimmen
bekommen hat als die EVP. Wirklich undemokratisch ist das zwar nicht.
Schließlich war Weber den meisten EVP-Wählern gar kein Begriff. Und
doch ist der Schaden gewaltig. Für die CSU sowieso, die gerade erst
die Pkw-Maut an die Wand gefahren hat. Der größte Verlierer ist
allerdings die EU. Die undurchsichtigen Manöver der Staatschefs
entlarven das Versprechen von "mehr Transparenz" als Phrase. So
verspielt man Vertrau
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