Rheinische Post: Kommentar /
Ein weiterer Fehler im Umgang mit der AfD
= Von Gregor Mayntz
(ots) - Die Falle der AfD war geschickt aufgebaut. Und
der Bundestag ist mit Vorsatz hineingetappt. Nachts um 1.27 Uhr im
Bundestag die Beschlussfähigkeit anzuzweifeln, ist ungefähr so
treffsicher wie in Sandalen im Regen mit nassen Füßen zu rechnen. An
ultralangen Sitzungstagen so zu tun, als wären jederzeit mindestens
50 Prozent aller Abgeordneten da, ist ein stillschweigendes
Übereinkommen eines arbeitsteiligen Parlamentes. Wo kein Kläger, da
kein Richter.
An Übereinkünfte fühlt sich die AfD nicht gebunden, weil die
anderen Fraktionen ihr permanent versagen, "ihren" Sitz im
Bundestagspräsidium auch zu besetzen. Mit dem nächtlichen Manöver war
also zu rechnen. Der Abbruch der Sitzung wäre lästig, aber
glaubwürdig gewesen. Spätestens, wenn nach einem als "Hammelsprung"
bezeichneten Zählverfahren das optisch Offensichtliche auch
statistisch belegt gewesen wäre. Doch die Sitzungsleitung entschied
sich für die unglaubwürdigste Lösung - einfach so zu tun, als wäre
der Plenarsaal mindestens halb voll. Man stelle sich nur kurz die
Reaktion von Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth vor, wenn die
Mehrheit des von Erdogans Partei beherrschten türkischen Parlaments
derart offenkundig die Regeln zur Farce gemacht hätte.
Es ist ein weiterer Punkt auf der Liste mit Fehlern des
Bundestages im Umgang mit der AfD. Der erste war es, die viele
Jahrzehnte alte Tradition zu beenden, wonach der älteste Abgeordnete
die erste Sitzung eines neuen Bundestages eröffnet. Das war ein
durchsichtiges Manöver, um einen AfD-Alterspräsidenten zu verhindern.
Solche Taschenspielertricks wie nun auch beim verweigerten
"Hammelsprung" gefährden letztlich die Würde des Hohen Hauses -
angerichtet ausgerechnet von denjenigen, die die Würde vor der oft
unflätig agierenden AfD schützen wollen.
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Datum: 28.06.2019 - 21:05 Uhr
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