Westfalen-Blatt: ein Leitartikel zu Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)
(ots) - Annegret Kramp-Karrenbauer hat seit ihrem
Amtsantritt als CDU-Vorsitzende schon mehrfach unglücklich
ausgesehen. Am Sonntagabend hat sie etwas gut gemacht. Ihre bei »Anne
Will« ausgesprochene glasklare Abgrenzung von der AfD ist nicht nur
in der Sache richtig. Kramp-Karrenbauer zeigt mit dieser Ansage auch
den Mut, ihre innerparteiliche Autorität in die Waagschale zu werfen.
Sie sagt: Nicht mit mir! Nun sagen zwar womöglich vor allem jene, die
schon auf dem Parteitag im Dezember gegen sie waren: Dann eben mit
einem anderen! Aber Machtproben sind ein Risiko, das eine
Führungskraft ab und zu mal eingehen muss. Die Saarländerin hat für
ihre Festlegung das in der Politik beliebte Stilmittel der
moralischen Aufladung gewählt. Sie erklärte die Distanz zur AfD und
zu deren diffuser Haltung zu rechtsradikalen Tendenzen zur
Gewissensentscheidung. Wer gegen ihre Position ist, »der soll nur mal
kurz die Augen schließen, soll sich Walter Lübcke vorstellen«, sagte
sie. Sie tat das in glaubwürdiger Weise - am 23. Juni, drei Wochen
nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten. Ein solches
Statement war vermisst worden, obgleich sich mehrere CDU-Mitglieder
seitdem durchaus bereits empathisch geäußert hatten. Dennoch blieb
das Gefühl einer Lücke - so sehr, dass die Aktionskünstler der Gruppe
»Zentrum für politische Schönheit« (die mit dem Holocaust-Mahnmal vor
Björn Höckes Haus) am 19. Juni ihren Twitter-Account in
#WirsindWalterLübcke umbenannten und schrieben: »Uns reichts! Wir
übernehmen an dieser Stelle offiziell die Kommunikation der CDU.«
Dann folgte in Großbuchstaben der Ausruf: »Was für ein unfassbarer
Angriff auf den Staat und die deutsche Demokratie« - mit vier
Ausrufezeichen. Annegret Kramp-Karrenbauer hat diese gefühlte Lücke
nun geschlossen. Sie wird an ihrem Unvereinbarkeitsanspruch gemessen
werden. Zum Beispiel im Fall der mecklenburgischen Kleinstadt
Penzlin, wo es in der Stadtvertretung eine Zählgemeinschaft von CDU
und AfD gibt. Dürfen die das trotz Parteitagsbeschluss? Was ist mit
einer eigenartigen Formulierung wie in der Denkschrift zweier
Vizechefs der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, die eine
Annäherung an die AfD »in zwei oder fünf Jahren« in Betracht ziehen
und schreiben: »Es muss wieder gelingen, das Soziale mit dem
Nationalen zu versöhnen.« Viele, die das lasen, setzten im Kopf die
beiden Begriffe zu einem zusammen und erschreckten. Kramp-Karrenbauer
deutete schon bei »Anne Will« an, dass sie keine Welle von
Parteiausschlussverfahren plane. Aber sie hat keinen Zweifel
gelassen, was für sie nicht hinnehmbar ist. Wer Kramp-Karrenbauer
nach ihrem Stolperstart schon abgeschrieben hatte, sieht sich eines
Besseren belehrt.
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Datum: 24.06.2019 - 21:00 Uhr
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