Rheinische Post: KOMMENTAR Fall Lübcke: Was jetzt passieren muss
(ots) - Es ist richtig, dass der Generalbundesanwalt im
Mordfall des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke die
Ermittlungen an sich gezogen hat. Damit unterstreicht die
Strafverfolgung, dass es sich hier um ein Verbrechen handelt, das
eine besondere Aufmerksamkeit nötig hat. Was sich hier verdichtet,
wirft ein grelles Licht auf den Zustand der Bundesrepublik im Jahr
2019.
Der Chef einer Bezirksregierung wird wegen migrationsfreundlicher
Überzeugungen über Jahre angefeindet, mit wüsten Drohungen überzogen
- und dann erschossen. Wenn es sich bestätigt, dass die Anfeindungen
und Mordmotiv aus demselben rechtsextremistischen Sumpf gekommen
sind, reicht die Einzelfallklärung nicht aus. Dann ist mit besonderem
Nach- und Fahndungsdruck eine breite Schneise durch diesen Sumpf zu
ziehen, um das Umfeld des Täters auf mögliche Mittäter, Mitwisser und
Sympathisanten freizulegen.
Die mittel- und unmittelbare Tatbeteiligung schnellstmöglich
aufzuklären, ist jedoch auch nur der erste Schritt. In einem zweiten
geht es darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, was dieser Staat
und was diese Gesellschaft als Meinungsäußerung tolerieren, was nicht
akzeptiert werden kann und was strafbar ist. Die Freiheit, seine
Meinung zu sagen, ist unerlässlich für die Demokratie. Aber wo sie
genutzt wird, ein Klima der Angst zu erzeugen, gar zur Ermordung von
Repräsentanten dieses Staates aufzurufen, ist die Toleranz eindeutig
überschritten. Dann ist es nicht mehr weit bis zu Tendenzen, die vor
hundert Jahren die Atmosphäre in der Weimarer Republik zu vergiften
begannen. Zudem sollten die Staatsanwaltschaften sich die Äußerungen
zu Lübcke im Internet genau anschauen. Was strafbar ist, soll auch
bestraft werden. Diese Fehlentwicklung muss jetzt gestoppt werden.
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Datum: 17.06.2019 - 20:36 Uhr
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