Rheinische Post: Kopmmentar /
Boris Johnsons Erpressung
= Von Jochen Wittmann
(ots) - Man kann nicht behaupten, dass sich Boris
Johnson bisher durch Weitsicht ausgezeichnet hätte. Der Mann mit den
zur Zeit besten Aussichten, der nächste Vorsitzende der britischen
Konservativen und damit Nachfolger von Theresa May im Amt des
Premierministers zu werden, war stets jemand, der sich selbst ein
Bein stellen konnte. Sein loses Mundwerk und seine Sorglosigkeit, was
den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen betrifft, haben ihn schon oft an
den Rand eines Karriereendes gebracht.
Jetzt hat er wieder etwas geliefert, was ihm kurzfristig helfen
mag, aber ihm langfristig zu schaffen machen wird. Er würde, tönte
Johnson, die Scheidungsrechnung für den Brexit erst dann bezahlen,
wenn ihm Brüssel einen besseren Deal anbietet. Das hören die
Brexit-Hardliner in der Regierungsfraktion ebenso gerne wie die
konservative Basis. Unter den konservativen Abgeordneten braucht
Johnson nur 105 Stimmen, um es unter die letzten zwei Finalisten zu
schaffen. An der Basis, die das letzte Wort hat, genießt er größte
Zustimmung. Kein Wunder, dass er kalkuliert, mit seiner Drohung nur
gewinnen zu können.
Was aber, wenn er recht hat, sein Spiel aufgeht und er
Premierminister wird? Dann steht er in der Pflicht als jemand, der
versprach, notfalls auch ohne Deal auszutreten und die britischen
Verbindlichkeiten nicht zahlen zu wollen. Wenn er mit seiner Drohung
ernst macht, hätte man es mit einem staatlichen Zahlungsausfall zu
tun. Die Folge wäre internationaler Ansehensverlust, Abwertung der
Bonität und die glatte Weigerung der EU, über irgendetwas anderes
sprechen zu wollen, als die schleunige Begleichung der Schulden.
Zahlen müsste Johnson dann doch am Ende und wäre doppelt gedemütigt.
Alles nicht gut durchdacht vom Premierminister in spe, aber so kennt
man ihn ja.
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Datum: 10.06.2019 - 20:54 Uhr
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