Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Trumps strategische Kapriolen" von Thomas Spang
(ots) - Das Strickmuster, nach dem Trump Außenpolitik
betreibt, lässt sich inzwischen gut erkennen. Erst stößt er Drohungen
aus, die so massiv sind, dass sie übertrieben wirken. Dann rudert er
zurück, und preist sich als Friedensstifter, der gerade eine große
Gefahr abgewendet hat. Dahinter steckt die Vorstellung des selbst
ernannten "Verhandlung-Künstlers", er müsse erst eine Position der
Stärke aufbauen, von der aus er dann Abstriche machen könne. So
durchsichtig Trumps Vorgehen auch sein mag, so wenig scheint er es
innerhalb seiner eigenen Regierung abgestimmt zu haben. Allen voran
nicht mit Sicherheitsberater John Bolton, der sich gegen
Verhandlungen mit Nordkorea und für ein robustes Vorgehen gegen Iran
ausgesprochen hat. Dieses strategische Durcheinander trat während des
Japan-Besuchs Trumps öffentlich in Erscheinung. Der Präsident gab
sich seltsam entspannt über die jüngsten Raketentests Nordkoreas, die
das Pentagon und Bolton unisono als Verletzung von Sanktionen des
Weltsicherheitsrats werteten. "Ich sehe das anders", postulierte
Trump bei einer Pressekonferenz mit Abe in Japan. Dabei räumte er
ein, dass "meine Leute denken, es könnte eine Verletzung sein". Doch
ihm sei das egal. Das war ein deutlicher Rüffel für Bolton, dem
dritten Sicherheitsberater Trumps, zu dem er von Anfang an kein
persönliches Verhältnis aufbauen konnte. Dieser hatte ihn
ausdrücklich davor gewarnt, Kim Jong-Un mit dem Schaufenster-Gipfel
in Singapur international aufzuwerten. Trumps Alleingang mündete
erwartungsgemäß in einer Sackgasse. Seitdem treibt der Diktator den
Präsidenten vor sich her. Was zu der kuriosen Situation führt, dass
Trump so tun muss, als ob. Deshalb verteidigt er Kim und machte ihn
in Japan sogar zum Kronzeugen für den angeblich "niedrigen IQ" seines
möglichen Herausforderers bei den Präsidentschaftswahlen, Joe Biden.
In Bezug auf Iran steuert Trump nun einen ähnlichen Kurs. Nachdem er
die USA im Mai 2018 aus dem Atomabkommen zurückgezogen hatte,
verschärfte er die Sanktionen und ließ kräftig die Säbel rasseln. Mit
Außenminister Mike Pompeo und Bolton hat er nun zwei ausgesprochene
Falken in Schlüsselpositionen. Einer davon, Bolton, wirbt offen
dafür, "Regimewechsel in Iran" zur offiziellen Politik der USA zu
machen. Der andere setzt die Alliierten und andere wichtige Länder
bei einer Rundreise unter Druck, nicht mit Iran zu kooperieren. Diese
Woche wird er in Deutschland und der Schweiz Dampf machen. In Tokio
pfiff Trump seinen Sicherheitsberater nun zurück. "Wir wollen keinen
Regimewechsel", erklärte der Präsident. "Ich denke wir werden einen
Deal machen." Ein hoher Mitarbeiter Trumps bestätigte die Spannungen
zwischen dem Isolationisten und seinem interventionistischen
Sicherheitsberater. "Ginge es nach John", so zitiert er den
Präsidenten gegenüber der New York Times, "steckten wir jetzt schon
in vier Kriegen." Warum aber sind John und Mike dann noch im Amt?
Vielleicht reicht Trump ein Krieg. Im Falle Irans fühlt sich
jedenfalls etwas nicht richtig an. Zumal das Pentagon zwei
Flugzeugträger, eine B-52-Bomberstaffel und 1500 zusätzliche Soldaten
Richtung Persischen Golf in Marsch setzte. Nicht zu vergessen die
beispiellosen Waffenverkäufe an Irans Erzfeind Saudi-Arabien. Nichts
von dem reichte für einen Regimewechsel. Aber es ist mehr als genug,
Atomanlagen anzugreifen. Und das hat Trump nicht ausgeschlossen. Ihm
gehe es allein um die Nuklearwaffen, erklärte er seine Politik in
Tokio. Was auch immer er damit meinte, beruhigend ist das wahrlich
nicht. Die strategischen Kapriolen könnten sich in diesem Fall als
Nebelkerzen erweisen.
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Datum: 30.05.2019 - 19:17 Uhr
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