BERLINER MORGENPOST: Geänderte Realitäten / Isabell Jürgens über die Bebauung des Tempelhofer Feldes
(ots) - Das Tempelhof-Gesetz, das vor genau fünf Jahren
nach einem Volksentscheid beschlossen wurde, schließt die Bebauung
auf der rund 300 Hektar großen Freifläche des ehemaligen
Flughafengeländes zu 100 Prozent aus. Auf diese wundervolle und
weltweit einmalige Freifläche mitten in der Stadt verzichten?
Unvorstellbar! Und auch völlig unnötig, zumal das ohnehin niemand
fordert. Selbst der damalige Masterplan, der beim Volksentscheid 2014
durchfiel, sah vor, dass der größte Teil der Freifläche, nämlich 230
Hektar, also 77 Prozent, gesichert werden sollte. Zum Vergleich: Der
Tiergarten misst 210 Hektar. Wenn nun angesichts des Mangels an
bezahlbaren Wohnungen eine Randbebauung wieder ins Spiel gebracht
wird, ist klar, dass einfach nur die Wiedervorlage des alten Plans
keine Chance hätte. Zu groß die - berechtigte - Kritik an der 300
Millionen Euro teuren "Wowereit-Gedächtnis-Bibliothek" oder den
Wohnblöcken, die den Bewohnern des Oderkiezes direkt vor die Nase
gesetzt worden wären. Ein echtes neues Nachdenken ist erforderlich,
um genau auszuloten, unter welchen Bedingungen am Feld doch noch
Wohnraum geschaffen werden kann für die vielen Menschen, die schon
heute in der Stadt händeringend eine Bleibe suchen. Natürlich lösen
5000 Wohnungen nicht das Wohnungsproblem, wie Bausenatorin Katrin
Lompscher (Linke) immer wieder betont. Doch ist das ein Grund, gar
nicht erst über den erheblichen Beitrag zur Linderung der Not
nachzudenken? Tatsächlich fehlen schon heute mehr als 100.000
Wohnungen und das Bevölkerungswachstum hält an. Die Überlegung, eine
Randbebauung erneut zur Abstimmung zu stellen, hat deshalb nichts mit
dem mangelnden Respekt vor dem Volksvotum zu tun. Sie erkennt die
geänderten Realitäten in der Stadt an. Ob es wirklich 100 Prozent
Tempelhofer Feld sein müssen, darüber sollten die Berliner erneut
abstimmen dürfen.
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Datum: 24.05.2019 - 21:46 Uhr
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