Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Europawahlen
(ots) - Dafür, dass wir es am Sonntag angeblich mit
einer »Schicksalswahl für Europa« zu tun haben, ist der Wahlkampf
doch relativ müde verlaufen. Zumindest in Deutschland. Ernsthafte
Auseinandersetzungen um die Themen, die Europa bewegen und die nur
Europa bewegen kann, suchte man zumeist vergeblich. Stattdessen
wurde ziemlich oft die Angst beschworen. Doch so berechtigt die
Mahnungen vor dem Erstarken nationalistischer Kräfte auch sein mögen
- die Wähler hätten mehr verdient gehabt als die permanente Warnung
vor dem vermeintlichen Untergang der Europäischen Union. CDU/CSU und
SPD aber waren eher halbherzig bei der Sache. Obwohl die Union in
Manfred Weber einen der ihren zum Kommissionspräsidenten machen will
und die SPD mit Justizministerin Katarina Barley eine bundesweit
bekannte und populäre Spitzenpolitikerin ins Rennen schickte,
verschanzten sich beide lieber im Kleinklein großkoalitionären
Hickhacks. Die Union scheint regelrecht gelähmt von der Frage, wie
sie den Übergang von der einen zur nächsten Kanzlerin hinbekommen
soll. Vom kommunikativen Fiasko nach Rezos Youtube-Video ganz zu
schweigen. Und die Sozialdemokraten zittern mittlerweile so sehr
vor den Ergebnissen in Brüssel und Bremen, dass sie selbst vor
den plumpesten Wahlkampftricks nicht zurückschrecken. Wie groß aber
muss bitte die Not sein, wenn man das Wort »Respektrente« im Mund
führt und zugleich mit Luftbuchungen hantiert, die jeden Respekt
vor dem Wähler vermissen lassen. Dass es auch anders, nämlich
selbstbewusst und zukunftsoptimistisch geht, haben noch am ehesten
die Grünen bewiesen - und zwar ganz unabhängig von der Tauglichkeit
ihrer Konzepte. Es genügt eben nicht, nur das zu verteidigen, was die
EU erreicht hat. Es geht darum, was die EU zu tun hat. Und das
ist einiges - von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
über die abgestimmte Migrationspolitik bis hin zum selbstbewussten
Umgang mit den wirtschafts- und machtpolitischen Interessen
Russlands, Chinas und der USA. Ja, in diesem EU-Wahlkampf ist eine
große Chance vertan worden, weil er müde und verzagt, hasenfüßig und
von parteipolitischen Nöten dominiert geführt worden ist.
Selbstverständlich ist die Bilanz der EU nicht makellos, und ihre
Politik ist nicht frei von Schwächen und Fehlern. Aber das ist
Politik nie. Und immerhin hat sich die EU weder durch die Finanz-
und Eurokrise noch durch den Flüchtlingszustrom und erst recht nicht
durch den Brexit aus den Angeln heben lassen. Die EU ist ganz
gewiss nicht perfekt, aber sie ist eben auch nicht am Ende. Sie
braucht Ihre Stimme und deshalb: Gehen Sie am Sonntag zur Wahl! Denn
es ist allemal besser, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen als
es bloß zu beklagen
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Datum: 24.05.2019 - 20:30 Uhr
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