"Sprache bedeutet Macht" / Jugendschutz-Fachtagung: Sprache, Medien und die Folgen für den öffentlichen Diskurs
(ots) - "Verroht, verkürzt, verbuggt?" Entspricht das dem
aktuellen Stand der deutschen (Jugend-)Sprache? In Teilen durchaus,
aber das ist zunächst einmal mit Gelassenheit zu sehen, da es vor
allem ein Ausdruck des stetigen Sprachwandels ist. Denn Sprache
entwickele sich - auch unter dem Einfluss von Medien - von Generation
zu Generation weiter, so der Tenor der 5. Fachtagung Jugendschutz mit
"Beiträgen zum Thema Sprache und Medien". Wie sich insbesondere das
Internet und soziale Netzwerke auf den Sprachgebrauch, die
Wahrnehmung bestimmter Themen und damit auch auf die
gesellschaftliche Debatte auswirken, diskutierten gestern
Sprachwissenschaftler, Medienethiker, Journalisten, Jugendschützer
und Pädagogen in der BLM.
Dass Sprache Macht bedeutet, die missbraucht werden kann, betonte
zum Auftakt BLM-Präsident Siegfried Schneider: "Anonymität und
Distanz im Internet machen das Wort als Waffe noch gefährlicher."
Meinungsfreiheit bedeute auch Verantwortung, der sich Gesellschaft,
Politik und Medien in einer digitalen Welt mehr denn je stellen
müssten.
Verantwortung für "Sprache im öffentlichen Diskurs" werde häufig
nicht wahrgenommen, zeigte Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Thomas
Niehr. Seine Wortkunde dokumentierte, wie unreflektiert bewusst
kreierte "Kampfbegriffe" wie "Fakenews" zum Teil übernommen werden.
Vor allem die Verwendung von Metaphern bestimme nicht nur unsere
Sicht auf die Welt, sondern beeinflussten auch unser Handeln.
Ist unsere gesellschaftliche Debatte schon verroht? Dr. Robert
Arsenschek, Direktor der Akademie der Bayerischen Presse, und
Medienethiker Prof. Dr. Christian Schicha sehen durchaus Tendenzen
der Verrohung, die, so Schicha, aber immer wieder mal beklagt würden.
Verändert hätten sich aber durch die Vielzahl der Kanäle die
Möglichkeiten der Inszenierung. Soziale Medien wirkten als
"Empörungsbeschleuniger" bestätigte Arsenschek. Journalismus und
Medien hätten den Kampf gegen die Verrohung aber noch nicht verloren,
sollten weiterhin rote Linien ziehen und mit "Handwerk und Haltung"
dagegen angehen.
Mit einer vermeintlichen Verrohung der Sprache durch so genanntes
Kurzdeutsch in der Jugendsprache hat sich die Soziolinguistin Dr.
Diana Marossek beschäftigt. Das Ergebnis ihrer Beobachtungen
präsentierte sie in der BLM. So gehörte "verbuggt" (fehlerhaft) z.B.
zu den TOP 10 der Jugendwörter des Jahres 2018. Artikel und
Präpositionen wegzulassen ("Gehst du Bahnhof?") sei allerdings nicht
nur ein Phänomen der Jugendsprache, sondern habe sich teilweise schon
in der Alltagssprache etabliert. Messenger-Dienste verstärkten die
Tendenz zum Kurzdeutsch. Während Jugendliche sich durch rituelle
Beschimpfungen wie "du Lauch" ihren sozialen Zusammenhalt bestätigen,
zielt Hassrede im Netz in eine andere Richtung.
Rote Linien bei Auseinandersetzungen zu ziehen, ist juristisch mit
Blick auf Beleidigungen gar nicht so einfach, zeigte Dr. Kristina
Hopf aus dem Jugendschutzreferat der BLM an Beispielen. Eine
eindeutige juristische Antwort auf die Frage "Was ist eine
Beleidigung?" gebe es nicht, so Hopf, da es immer auf den Kontext
ankomme. Mit der Sprache in Rap-Texten haben sich die Linguisten Sven
Bloching und Jöran Landschoff auseinandergesetzt. Am Beispiel der
umstrittenen Rap-Texte von Kollegah & Farid Bang zeigten sie, wie die
kalkulierten sprachlichen Tabubrüche wirken: "Der drastische
Gewaltverweis hat agressionsentladendes Potenzial." Ein Potenzial,
das der Jugendschutz im Blick haben muss. Denn Sprache spiele beim
Jugendschutz aufgrund ihrer Wirkung auf Kinder und Jugendliche eine
wichtige Rolle, so BLM-Referentin Maria Monninger. Zu ihren
Beispielen gehörten neben sexualisierter und von Gewalt geprägter
Sprache auch Hassblogs, die grundlegende Prinzipien der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Frage stellen.
Mit Blick auf jugendschutzrelevante und unzulässgie Inhalte im
Netz ist Gelassenheit alles andere als angebracht, mit Blick auf
"Kinder- und Jugendsprache" im Wandel schon, so das Fazit der
abschließenden Diskussion. BLM-Medienrat Arwed Vogel, Vorsitzender
des Schriftstellerverbands in Bayern, sieht Jugendsprache als etwas
"Bereicherndes", die Rapperin Fiva findet sie "teilweise kreativer
als die vermeintliche Hochkultur". Verena Weigand, Bereichsleitung
Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM, betonte das grundsätzliche
Verständnis für diese Phänomene. Neben kreativer Verkürzung müsste
Jugendlichen aber auch vermittelt werden, dass sie sich präzise
ausdrücken können. Matthias Fack, Präsident des Bayerischen
Jugendrings, forderte mehr Gelassenheit bei der Bewertung angeblicher
Sprachverluste. Wenig gelassen zeigte er sich allerdings mit Blick
auf Hassrede im Netz, das eben auch ein öffentlicher Raum sei, "in
dem nicht alles stattfinden darf".
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Datum: 16.05.2019 - 15:04 Uhr
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