Ausgezeichnet: Hans-Kilian-Preis 2019 für Ashis Nandy
(ots) - Der indische Psychoanalytiker und Sozialtheoretiker
Ashis Nandy ist Preisträger des diesjährigen Hans-Kilian-Preises, mit
80.000 Euro deutschlandweit eine der höchstdotierten Auszeichnungen
im Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften. Am
Donnerstagnachmittag (9. April) nahm er den Hans-Kilian-Preis im
Rahmen einer feierlichen Preisverleihung an der Ruhr-Universität
Bochum entgegen. "Hans Kilian hat immer wieder die Aufgabe der
Sozialwissenschaft und der Psychoanalyse betont, das Unsichtbare und
das, was manche Gesellschaften gerne unsichtbar machen würden, dem
Verbergen und Vergessen zu entreißen", so Ashis Nandy anlässlich
seiner Auszeichnung. "In einer Welt, in der ehemals schützende und
sichtbare Gemeinschaften mehr und mehr zerstört und durch
anonymisierende Massengesellschaften verdrängt werden, ist diese
Aufgabe dringlicher denn je."
Nandy gilt als Mitbegründer der weltweiten Postcolonial Studies.
In seinem wissenschaftlichen Lebenswerk sucht er sowohl die
Auseinandersetzung mit als auch den Brückenschlag zwischen westlichen
und östlichen Gesellschaften - zudem ist er als postkolonialer Denker
bekannt für seine interdisziplinären und kreativen Ansätze. In der
Laudatio von Dorothee Wierling, Vorsitzende des Preiskuratoriums und
Vorstandsmitglied der Köhler-Stiftung, wurde der Preisträger wie
folgt gewürdigt: "Ashis Nandys ungebremste Neugierde, seine Güte und
gelassene Weisheit in Bezug auf die sozialpsychologische Welt, sein
unerschütterlicher Anti-Nationalismus und der unbeirrbare Glaube an
das Potenzial der Menschen, mitfühlende Gesellschaften zu errichten,
machen seine Stimme für uns alle bedeutsam. Sein öffentliches
Eintreten für einen sozialen Wandel, der die kulturelle Vergangenheit
nicht einfach unreflektiert zum Verschwinden bringt, ist
impulsgebend. Mit der Vergabe des diesjährigen Hans-Kilian-Preises an
Ashis Nandy spricht die Preisjury ihm ihre Anerkennung für die enorme
öffentliche wie auch einflussreiche intellektuelle und
wissenschaftliche Bedeutung aus, die er in seinem langen
wissenschaftlichen Leben erlangt hat."
Zum Preisträger Ashis Nandy
Mit ihrem internationalen Forschungspreis würdigt die
Köhler-Stiftung in diesem Jahr einen weltweit gehörten und mitunter
durchaus streitbaren Intellektuellen, dem es bis heute immer wieder
gelingt, mit seiner wissenschaftlichen Arbeit und seiner Kritik auch
nachhaltige politische Debatten anzuregen. Ashis Nandy, Jahrgang
1937, ist einer der bekanntesten Psychologen, Psychoanalytiker und
Soziologen Indiens. Er - selbst in der indischen postkolonialen
Kultur verwurzelt - setzt sich mit dieser seit Beginn seiner Karriere
kritisch auseinander und bearbeitet dabei vielfältige Felder sozial-
und kulturwissenschaftlicher Forschung innovativ und
interdisziplinär. Besondere Akzente setzte er etwa, indem er
westliche Theorietraditionen zur Analyse nichtwestlicher Kontexte
verwendete. Im Ergebnis erreichte er dadurch sowohl fruchtbare
Analysen der indischen Gesellschaft und ihrer nachwirkenden
Kolonialerfahrungen als auch eine Stärkung der Psychoanalyse - wies
er doch deren Potenzial auf, auch nichtwestliche Lebensformen und
Befindlichkeiten zu untersuchen.
Ashis Nandys akademische Karriere ist eng mit dem Centre for the
Study of Developing Societies (CSDS) in Neu-Delhi verbunden, dem er
in den 1990er Jahren als Direktor vorstand und heute als Senior
Honorary Fellow angehört. Die internationale Reichweite seiner Arbeit
zeigt sich u.a. in Fellowships an verschiedenen Universitäten in den
USA, Großbritannien und Deutschland sowie in der Übernahme des ersten
UNESCO-Lehrstuhls am Zentrum für europäische Studien der Universität
Trier im Jahr 1994. Das Magazin Foreign Affairs zählte ihn 2008 zu
den 100 weltweit wichtigsten öffentlichen Intellektuellen. Zeitlebens
setzt sich Nandy engagiert für Menschenrechte und das Überleben von
Kulturen ein.
Sein Werk "The intimate enemy" ist unter dem Titel "Der
Intimfeind: Verlust und Wiederaneignung der Persönlichkeit im
Kolonialismus" in deutscher Sprache erschienen, weitere wichtige
Publikationen des Preisträgers sind "The savage Freud and other
essays on possible and retrievable selves" und "Time Treks: The
uncertain futures of old and new despotisms".
Pressefoto zum Download unter: http://ots.de/7Cikbj
Der Hans-Kilian-Preis
Mit einem Preisgeld in Höhe von 80.000 Euro gehört der
Hans-Kilian-Preis deutschlandweit zu den höchstdotierten
Auszeichnungen im Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften. Der
Forschungspreis wird seit 2011 alle zwei Jahre vergeben und würdigt
internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in ihren
Arbeiten Grenzen zwischen Disziplinen und Kulturen kreativ
überschreiten und produktive Synthesen zwischen bislang isolierten
Wissensgebieten schaffen. Benannt ist der Preis nach Hans Kilian
(1921-2008), der als Ordinarius für Sozialpsychologie und angewandte
Psychoanalyse an der Universität Kassel lehrte.
www.hans-kilian-preis.de
Die Köhler-Stiftung
Die 1987 durch Lotte Köhler errichtete Köhler-Stiftung im
Stifterverband fördert die Wissenschaften vom Menschen, und zwar
insbesondere solche Gebiete, die das Verständnis des Menschen über
sich selbst erweitern. Darunter sind sowohl Forschungsvorhaben auf
dem Gebiet der Psychologie und benachbarter Sozial- und
Kulturwissenschaften als auch auf dem Gebiet der Medizin zu
verstehen. Vorrangig gefördert werden Arbeiten zu psychosozialen
Aspekten des menschlichen Zusammenlebens in Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft.
In Zusammenhang mit dem Preis werden vom Hans Kilian und Lotte
Köhler-Centrum (KKC) an der Fakultät für Sozialwissenschaft der
Ruhr-Universität Bochum regelmäßig internationale
Hans-Kilian-Vorlesungen zur sozial- und kulturwissenschaftlichen
Psychologie und integrativen Anthropologie veranstaltet. Die
Ergebnisse der Hans-Kilian-Vorlesungen, ebenfalls mit Mitteln der
Köhler-Stiftung gefördert, werden veröffentlicht. Mehrere
"Deutschlandstipendien" werden als Lotte-Köhler-Stipendien vergeben.
www.kilian-koehler-centrum.de
Pressekontakt:
Sandra Plontke, M. A.
Hans Kilian und Lotte Köhler-Centrum (KKC)
Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie
Fakultät für Sozialwissenschaft
Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstr. 150
44801 Bochum
T 0234 32-25687
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Datum: 10.05.2019 - 13:44 Uhr
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