iglo verlässt den Lebensmittelverband BLL / Verharren auf alten Positionen verhindert Mitgestaltung von gesellschaftlichen Veränderungen
(ots) - iglo tritt aus Spitzenverband der deutschen
Lebensmittelwirtschaft BLL (Bund für Lebensmittelrecht und
Lebensmittelkunde e. V.) aus. Grund für die Entscheidung ist eine
fehlende strategische Ausrichtung auf die Herausforderungen der
Zukunft der Branche und die Vernachlässigung der Bedürfnisse von
mittelständischen Branchenmitgliedern.
"Im Zuge der Debatte um eine Einführung einer
Lebensmittelkennzeichnung sind grundsätzliche Defizite in der
Ausrichtung des Verbandes zutage getreten", so Antje Schubert,
Vorsitzende der Geschäftsführung von iglo Deutschland, "so dass eine
Mitgliedschaft unseres Unternehmens nicht mehr sinnvoll erscheint."
iglo macht seine Kritik an drei Punkten fest:
1) Symbolpolitik anstelle eines aktiven, europäischen
Gestaltungswillens
Die deutsche Wirtschaft und ebenso die deutsche
Lebensmittelwirtschaft ist fest in Europa verankert und profitiert
von einem Binnenmarkt. Einer der Gründe ist der der sukzessive Abbau
von nationalen Schranken und der Aufbau von effizienten,
länderübergreifenden Lösungen. Davon profitieren insbesondere die
mittelständischen Lebensmittelunternehmen. Die aktuelle BLL-Kampagne
#Helden für Europa ("Lebensmittelwirtschaft fordert klares Bekenntnis
zu Europa") kann jedoch nur als Symbolpolitik bezeichnet werden, wenn
gleichzeitig bei der Lebensmittelkennzeichnung eine rein nationale,
deutsche Lösung vorgeschlagen wird. Eine deutsche Einzellösung
bedeutet für die Unternehmen im internationalen Kontext zusätzlichen
Verwaltungsaufwand, eine höhere Kostenbelastung und einen unnötigen
Erklärungsaufwand für deren Vermittlung an die Verbraucher. "Der
Widerspruch der Aktionen des BLLs ist ein industriepolitisches
Armutszeugnis für die Lebensmittelindustrie", so Schubert, "und
konterkariert den Weg, den die meisten Mitgliedsunternehmen bereits
heute aktiv gehen." Die Erwartung an einen Branchenverband sei, dass
er über den Tellerrand blicke und auch europäische Lösungen im
Interesse aller Mitglieder vorantreibe.
2) Verharren im Gestern anstelle einer Mitgestaltung von
gesellschaftlichen Veränderungen
Der BLL ist in den konkreten Aktivitäten darauf fokussiert, die
(Bestands-)Interessen der Lebensmittelindustrie ausschließlich zu
verteidigen und zu bewahren. Wesentliche gesellschaftliche
Veränderungen werden weder aufgenommen, noch übernimmt der BLL als
Sprachrohr der Branche eine Gestaltungsposition im Sinne einer
gesellschaftlichen Verantwortung der Lebensmittelindustrie ein. "Das
wichtigste Kapital von Lebensmittelunternehmen ist Vertrauen", so
Schubert weiter. "Die Menschen in unserer Gesellschaft gewinnen wir
als Branche nur mit Antworten auf ihre (neuen) Fragen. Wer heute
glaubt, dass man Themen ''politisch wegmoderieren'' könne, hat die
Zeichen der Zeit nicht erkannt."
Ein Verband sollte auch der Zukunft gerecht werden und den
gesellschaftlichen Wandel berücksichtigen - und auf dieser Basis
bestehende Positionen korrigieren. Das Beispiel der vielfachen
medialen Formate i. S. "die Tricks der Lebensmittelindustrie" zeige
deutlich die Herausforderungen der Branche auf. Um einem generellen
Vertrauensverlust der Branche entgegenzuwirken, bedarf es mutiger,
gegebenenfalls unbequemer, neuer Schritte. Wenn die maßgeblichen
Akteure im BLL dies nicht erkennen, schaden sie ihren eigenen
Mitgliedern und nicht zuletzt der Reputation der
Lebensmittelindustrie.
3) Kleine Mitgliedsunternehmen finden kein Gehör anstelle eines
offenen Dialogs
Die Lebensmittelwirtschaft lebt von der Vielfalt - sowohl beim
Produktangebot, als auch hinsichtlich der Einstellungen und Meinungen
der Mitglieder. Leider ist die BLL-Kultur geprägt von einer Art der
"Hinterzimmerpolitik". Dort entscheiden die großen Akteure über die
Aktivitäten und Entscheidungen. Ein aktiver Dialog mit dem führenden
deutschen Tiefkühlkostunternehmen oder thematisch betroffenen
Akteuren gehört nicht zum Alltag. So kommt es dazu, dass
beispielsweise das Thema einer Lebensmittelkennzeichnung nicht
ergebnisoffen, sondern bereits vorgeprägt behandelt wird. "Wir hätten
uns gewünscht, dass iglo im Vorfeld einer Entscheidung zu einem
BLL-Vorschlag für einen nationalen Alleingang hinsichtlich einer
deutschen Nährwertkennzeichnung eingebunden worden wären", so Antje
Schubert. "Hier wurden Befürworter gezielt ausgegrenzt. Ein solches
Verhalten ist für einen Branchenverband unwürdig." Ein derartiges
Thema hätte zwingend eine Debatte mit den betroffenen Unternehmen
bedurft, so dass zumindest die unterschiedlichen Positionen innerhalb
eines verbandsinternen Dialogs Gehör finden können.
Die aufgezeigten, systemimmanenten Defizite sind mit den
Wertvorstellungen einer verantwortungsvollen und an den Bedürfnissen
der Verbraucher ausgerichteten Lebensmittelwirtschaft nicht
vereinbar, so dass die Entscheidung, den Branchenverband BLL zu
verlassen, derzeit unvermeidbar ist. Der Zeitpunkt des formalen
Austritts erfolgt innerhalb der verbandsüblichen Fristen. Im
Interesse der gesamten Lebensmittelindustrie möchte iglo mit diesem
Schritt ein Signal setzen, dass es auch Unternehmen mit einer anderen
Haltung in Deutschland gibt und dass dieser Schritt eine überfällige,
brancheninterne Debatte um die Zukunftsausrichtung einer wichtigen
Interessensvertretung auslösen kann.
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Alfred Jansen
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Datum: 09.05.2019 - 10:00 Uhr
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