NABU, WWF und IFAW fordern in Niedersachsen: Herdenschutz statt Wolfsabschuss
(ots) - NABU, WWF und IFAW kritisieren die
Entscheidung des niedersächsischen Landesumweltministeriums, die
Abschussgenehmigung des Rodewalder Wolfsrüden mit der Bezeichnung
"GW717m" erneut zu verlängern. Laut Medienberichten spielt
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies mit dem Gedanken, Wölfe auch
ohne individuelle Zuordnung abschießen lassen zu wollen. Aus Sicht
der Verbände tragen die Aussagen aus dem Ministerium nicht zu einer
Versachlichung der Situation bei. In einem gemeinsamen Statement
fordern NABU, WWF und IFAW die Einhaltung europäischen und deutschen
Rechts und eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Themen Wolf
und Herdenschutz.
Bereits am 23. Januar erteilte der Niedersächsische Landesbetrieb
für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mit
Unterstützung des Niedersächsischen Umweltministeriums die
Ausnahmegenehmigung zum Abschuss des Rüden, nachdem eine gehäufte
Zahl von Nutztierrissen im Bereich des Rodewalder Rudels verzeichnet
wurde. Die Begründung des NLWKN zur Ausnahmegenehmigung reicht nach
Ansicht der Verbände allerdings nicht aus und ist fachlich falsch.
Vorwürfe erhebt der NABU-Landesverband Niedersachsen gegenüber dem
Land, da es nach seiner Kenntnis kaum Aktivitäten gegeben hat, Risse
bei Rindern und Pferden durch entsprechende Herdenschutzmaßnahmen zu
unterbinden, während deutlich in die Suche und den Abschuss des
Rodewalder Rüden investiert wurde.
Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf
(DBBW) legte bereits im Februar 2019 öffentlich dar, dass auch Rinder
vor Wölfen geschützt werden müssen, wenn einzelne Wölfe gelernt
haben, Rinder zu töten. Landesumweltminister Olaf Lies sieht das
offenbar anders, sagte er doch bei der letzten Sitzung des
Arbeitskreises Wolf des niedersächsischen Umweltministeriums, dass
bei Rindern die Herde, bestehend aus ausgewachsenen und jungen
Tieren, ausreichenden Schutz bieten würden.
"Diese Haltung führt Herdenschutz als nachgewiesene effektive
Prävention ad absurdum. An flächendeckendem, fachgerechtem
Herdenschutz in Wolfsgebieten führt jedoch kein Weg vorbei", sagt
Claudia Grünewald, Artenschutzexpertin des NABU. Prävention müsse
immer das erste Mittel der Wahl bleiben und helfe dabei, dass
Lerneffekte bei Wölfen und damit auch Entnahme-Situationen gar nicht
erst entstehen.
Moritz Klose vom WWF äußert sich zum Gedankenspiel des Ministers:
"Für eine präventive Entnahme von Wölfen gibt es weder eine
rechtliche Grundlage, noch ist sie fachlich sinnvoll. Die Tötung von
Wölfen darf nur im Einzelfall, nach Prüfung aller zur Verfügung
stehenden Alternativen erfolgen."
Andreas Dinkelmeyer vom IFAW: "Minister Lies wäre besser beraten,
endlich flächendeckenden Herdenschutz in seinem Land umzusetzen,
statt Gelder für die langwierige Suche nach einzelnen Wölfen zu
verschwenden. Zumal kann weiterhin nicht glaubhaft versichert werden,
wie der Rüde eindeutig identifiziert und entnommen werden kann."
Diese Unklarheit werde gerade jetzt - in den Frühjahrsmonaten -
besonders relevant. Es könnte versehentlich ein anderes Tier, zum
Beispiel die säugende Wölfin, getötet werden, auf die die jungen
Welpen, die Ende April/Anfang Mai geboren werden, in dieser Zeit
angewiesen sind.
"Wenn von einem Selbstschutz bei Herden ohne fachliche Grundlage
ausgegangen wird, handelt das Land grob fahrlässig und schafft erst
die Möglichkeit, dass Wölfe lernen, größere Weidetiere zu reißen", so
der Landesvorsitzende des NABU Niedersachsen Dr. Holger Buschmann.
"Das Land muss demgegenüber dringend öffentlich fordern, dass
Herdenschutzmaßnahmen sofort ergriffen werden, wenn erste Risse in
einem Wolfsgebiet erfolgen."
Die Verbände bewerten die Kommunikation der zuständigen Behörden
zum Fall des Rodewalder Rüden seit Beginn mehr als mangelhaft, da die
Öffentlichkeit völlig im Dunkeln gelassen würde. "Gute fachliche
Praxis im Wolfsmanagement sieht anders aus", so die Verbände. Mit dem
Schweigen der Behörden zu Hintergründen des Rodewalder Rudels und
gleichzeitiger populistischer Stimmungsmache rücke man die
konfliktarme Koexistenz von Mensch und Wolf absichtlich in weite
Ferne.
Zu einem guten Wolfsmanagement gehören sachliche
Informationsarbeit gegenüber der Öffentlichkeit und anderen
Interessengruppen ebenso wie eine adäquate Förderung,
Beratungsleistung und Umsetzung von flächendeckendem Herdenschutz.
Hintergrund zum Fall:
Die Einzelabschussgenehmigung für den Wolf GW717m begründet sich
gemäß NLWKN auf zwei Einzelfälle, bei denen ein zwei Monate altes
Kalb nachweislich von dem Rüden gerissen worden ist und ein
zweijähriges Rind nach Verletzung eingeschläfert wurde. Weitere Fälle
konnten dem Tier nicht zugeordnet werden oder der NLWKN geht davon
aus, dass ein Selbstschutz der jeweils betroffenen Herde nicht
gegeben war. Der NLWKN geht weiterhin davon aus, dass mehrere
mehrjährige gesunde Rinder bereits einen Selbstschutz auch für Kälber
bieten würden, ohne dieses durch fachliche Studien belegen zu können
oder sich zu diesem Thema mit anderen Ländern, bundesweiten Behörden,
Informationsstellen und Experten ausgetauscht geschweige denn
abgesprochen zu haben.
Pressekontakt:
Andreas Dinkelmeyer, IFAW Deutschland, Tel. +49 (0)40-86650015,
Mobil +49 (0)173 622 75 39 adinkelmeyer(at)ifaw.org
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Datum: 08.05.2019 - 11:29 Uhr
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