Ethikrat fordert differenziertere Debatte zur Impfpflicht
(ots) - Der Deutsche Ethikrat begrüßt Anstrengungen zur
Erhöhung von Impfquoten. Er kritisiert aber angesichts der aktuellen
Debatte um eine Impfpflicht für Masern die unzulässige Verengung der
Diskussion auf Kinder, die unzureichende Berücksichtigung der
Datenlage sowie den unscharfen Begriff der Impfpflicht und plädiert
für einen umfassenden Ansatz.
Derzeit wird - nach Ansicht des Deutschen Ethikrates zu Recht -
intensiv über Maßnahmen zur Erhöhung der Impfquote für Masern
diskutiert. Dabei dominieren allerdings Forderungen nach Einführung
einer gesetzlichen Impfpflicht für Kinder. Diese Verkürzung der
Debatte hält der Deutsche Ethikrat aus folgenden Gründen für
verfehlt:
Unzulässige Verengung des Adressatenkreises auf Kinder: Fast die
Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland sind Erwachsene, mit
in den letzten Jahren ansteigender Tendenz. Maßnahmen mit dem Ziel,
die Masernimpfquote zu erhöhen, müssen als Adressaten sowohl Kinder
als auch Erwachsene einbeziehen. Ein wirksamer Gemeinschaftsschutz
setzt eine bevölkerungsweite Quote für beide Masernimpfungen von 95
Prozent voraus. Diese kann nur erreicht werden, wenn auch bei
Erwachsenen die Impfquoten erhöht werden. Personen, von denen wegen
ihrer Tätigkeit oder ihrer berufsbedingten Kontakte ein erhöhtes
Infektionsrisiko für andere ausgeht (Gesundheitsberufe, pädagogisches
Personal), stehen hier in einer besonderen Verantwortung.
Unzureichende Berücksichtigung der Datenlage:
Bundesweit liegt die Erstimpfungsquote bei Kindern zum Zeitpunkt
der Einschulung bei 97,1 Prozent. Dies zeigt eine große Akzeptanz der
Masernimpfung. Probleme entstehen aber vor allem durch die noch
unzureichende Quote bei den Zweitimpfungen von 92,9 Prozent sowie
aufgrund der beträchtlichen regionalen Unterschiede.
Unschärfe des Begriffs der Impfpflicht:
Unklar ist, wie eine solche Pflicht ausgestaltet und wie sie
durchgesetzt werden kann. Denkbare Sanktionen wären je nach
Adressaten etwa Bußgelder, Ausschluss aus Kindertagesstätten oder
Schulen, Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit oder sogar
körperliche Zwangseingriffe. Erst die Präzisierung der Ausgestaltung
einer Impfpflicht und ihrer Durchsetzung ermöglicht eine angemessene
ethische und rechtliche Abwägung der betroffenen Schutzgüter.
Entgegen der bisherigen Engführung auf die Frage nach einer
gesetzlichen Impfpflicht erfordert eine erfolgreiche Impfpolitik
einen umfassenden Ansatz. Dieser muss das ganze Spektrum von
Akteuren, Adressaten, Instrumenten und Regelungsebenen auch in ihren
Wechselbeziehungen in den Blick nehmen. Erst auf dieser Grundlage
kann geprüft werden, wie das Ziel eines hinreichenden Impfschutzes
mit Maßnahmen von möglichst geringer Eingriffstiefe erreicht werden
kann. Diese Prüfung ist geboten, bevor das geltende Recht geändert
wird.
Der Deutsche Ethikrat erarbeitet derzeit eine Stellungnahme zum
Thema, die noch vor der parlamentarischen Sommerpause vorliegen wird.
Weitere Informationen unter www.ethikrat.org.
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Ulrike Florian
Deutscher Ethikrat
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Datum: 24.04.2019 - 05:00 Uhr
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