FZ: Brexit als Brandsatz
Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (Samstagausgabe) zu den Unruhen in Nordirland:
(ots) - Der Frieden, den Nordirland in den vergangenen 21
Jahren erlebte, ist trügerisch. Die Gräben zwischen den katholischen
Iren, die ein unabhängiges, vereintes Irland wollen, und den
London-loyalen Protestanten existieren weiter. Gewiss das
Karfreitagsabkommen hat vor zwei Jahrzehnten die Gewalt gestoppt,
nicht aber die Feindschaft zwischen den Bevölkerungsgruppen beendet.
Irlands grüne Grenze ist seit Monaten heißer Brennpunkt unter den
Brexit-Problemen: Brüssel, London und Dublin pokern endlos um eine
Lösung, die verhindern soll, dass die alten Konflikte durch neue
Kontrollen zwischen Irland und der britischen Provinz wieder
aufbrechen. Jetzt haben vermutlich IRA-nahe Extremisten gezeigt, wie
schnell alte, vergessen geglaubte Bilder wieder Realität werden
können: Brennende Autos, Vermummte, explodierende Brandsätze, scharfe
Schüsse und der gewaltsame Tod einer Journalistin in Londonderry sind
aktuelle Bilder des Schreckens. Keine Frage, die zurückgekehrte
Gewalt ist auch eine Folge des Brexit-Chaos, das den Extremisten auf
beiden Seiten in die Hände spielt. Alte Parolen gewinnen neue
Bedeutung und neue Ängste lassen alte Vorurteile wieder wach werden.
Und sie rufen jene gewaltbereiten Kämpfer auf die Straßen, die 20
Jahre zähneknirschend einem Waffenstillstand - viel mehr war der
Frieden für sie offenbar nicht - zugeschaut haben. Die Neue IRA, die
für die Gewaltaktionen verantwortlich gemacht wird, ist noch eine
kleine Truppe und das offizielle Echo der Parteien, die hinter den
gegensätzlichen Gruppen der Bevölkerung stehen, ist kritisch
gegenüber dem Terror und friedensbetont. Das heißt aber nicht, dass
im Falle eines chaotischen Brexits mit einer neuen, harten Grenze
zwischen den beiden Irland nicht auch das Chaos hier wieder auf
breiter Front aufbrechen kann. Es wäre tragisch, wenn ausgerechnet
die Nordiren, die mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt haben, jetzt
ein Opfer der politischen Freibeuter in Westminster werden. Das
sollten die verantwortlichen Politiker in London erkennen, für die
nicht nur der wirtschaftliche Wohlstand des eigenen Landes auf dem
Spiel steht, sondern auch der schwierige Prozess der historischen
Aussöhnung der nordirischen Gesellschaft. Wenn man sich freilich die
Szenen der letzten beiden Jahre im britischen Unterhaus vor Augen
ruft, dann wird die offenbar unausweichliche Tragik des Geschehens
deutlich: Da agiert eine Truppe ebenso begabter wie ignoranter und
selbstverliebter Laienschauspieler, die bis heute nicht erkannt
haben, was sie mit den endlosen Wiederholungen ihrer gar nicht mehr
lustigen Klamotte anrichten. Das ist Kleinbritannien. Schade um eine
große Nation.
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Fuldaer Zeitung
Volker Feuerstein
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Datum: 19.04.2019 - 20:19 Uhr
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