Neue Westfälische (Bielefeld): Sterbehilfe
In höchster Not
Carsten Heil
(ots) - Die Würde des Menschen ist unantastbar. So steht
es in Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Der kann als Fundament unseres
freiheitlich demokratischen Rechtsstaates verstanden werden. Es ist
keine zeitliche Begrenzung vorgesehen. Also: Die Würde des Menschen
endet nicht, weil bestimmte Bedingungen oder Situationen eingetreten
sind. Wer aber bestimmt, was für den einzelnen Menschen würdig ist?
Die Mehrheit sagte vermutlich: der Mensch selbst, für sich allein.
Kein Beamter, kein Jurist, kein Theologe und auch kein Arzt kann
darüber befinden, was ich persönlich für mich allein als Würde
empfinde und begreife. Deshalb muss mir als Mensch das Recht
zugestanden werden, in höchster Not mein Leben als Mensch zu beenden.
Und mir - sollte ich dazu allein nicht mehr in der Lage sein - helfen
zu lassen. Auch als Christ kann ich so argumentieren. Wenn Gott mir
mein Leben geschenkt hat, mitsamt meinem freien Willen und meiner
Würde, billigt er mir auch zu, es zu beenden. Damit kein
Missverständnis entsteht: Es geht nicht darum, dem Suizid das Wort zu
reden. Es geht um die extrem schwere Situation bei auswegloser
Krankheit, den quälenden Tod vor Augen, seinem Leben ein Ende zu
setzen und dabei Unterstützung zu erhalten. Um die juristische
Einschätzung und die strafrechtlichen Folgen dieser Unterstützung
geht es im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Nicht immer
kann Palliativmedizin im allerletzten Lebensabschnitt wirklich
lindernd eingreifen. Bei allen Fortschritten in diesem Bereich. Es
ist eine extrem schwierige Situation. Niemand kann sie ermessen, der
sie nicht zumindest als naher Beobachter erlebt hat. Entsprechend ist
es richtig, dass der Gesetzgeber verboten hat, Geschäfte rund um die
Sterbehilfe zu machen. Es dürfen kein Druck und auch keine indirekte
Erwartungshaltung im Raum stehen. Deshalb ist die Zurückhaltung
Sterbehilfe straffrei zu stellen, nachvollziehbar. Aber: Die Würde
des Menschen heißt auch, dass er in Würde sterben darf und kann. Dazu
bedarf es in manchen Fällen Hilfe. Und die muss straffrei bleiben. In
höchster Not.
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Datum: 16.04.2019 - 20:05 Uhr
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