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Westdeutsche Zeitung: Fahrverbote helfen nicht, nur eine Verkehrswende (Leitartikel von Rolf Eckers)

ID: 1713015


(ots) - Im Januar war die Aufregung groß. Eine kleine
Gruppe von 107 Lungenärzten erklärte die Grenzwerte für Stickoxide
und Feinstaub für unsinnig und schien damit der ganzen Debatte um
schlechte Luft und Fahrverbote den Boden zu entziehen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sprang sofort auf den Zug auf
und lobte die neuen "Fakten". Das hätte der forsche CSU-Mann
besser gelassen, denn die Lungenärzte hatten mit falschen Zahlen
hantiert. Solche handwerklichen Fehler unterlaufen der
Wissenschaftsakademie Leopoldina vermutlich nicht. Die Experten aus
zwölf Fachgebieten haben am Dienstag ihre Stellungnahme zur
Luftreinhaltung in Deutschland vorgelegt. Ergebnis: Fahrverbote in
Städten bringen nichts, weil sie zu kleinteilig sind und die
Belastung der Luft mit Schadstoffen nicht nachhaltig senken. Ob die
Verwaltungsgerichte in diesem Land angesichts dieses Votums weiter an
Fahrverboten festhalten, ist zumindest sehr zweifelhaft

Als Rechtfertigung für das Nichtstun der Politik taugt die Studie
aber nicht. Ganz im Gegenteil: Die Wissenschaftler mahnen eine
grundlegende Verkehrswende an, wollen die individuelle Mobilität
zurückdrängen. Sie fordern Dinge, die insbesondere Scheuer verhindern
will: Höhere Kraftstoffpreise, höhere Steuern und Abgaben für Autos
und den viel stärkeren Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Sowohl
Stickoxide als auch Feinstaub seien für die Gesundheit ein ernstes
Problem. Sie können nach Einschätzung der Wissenschaftler
Atemwegserkrankungen auslösen, Feinstaub zudem
Herz-Kreislaufprobleme, Diabetes oder auch Lungenkrebs verursachen.
Am Grenzwert für Stickoxide sollte festgehalten, der Grenzwert für
Feinstaub sogar noch verschärft werden.

Spannend ist, dass sich die Wissenschaftler klar zu Diesel- und
Benzinmotoren positionieren. Sie warnen davor, die Dieselflotte durch




Benziner zu ersetzen, weil das zu höheren CO2-Emissionen führe.
Software-Updates und Hardware-Nachrüstungen seien der bessere Weg, um
die Diesel-Pkw und damit die Luft sauberer zu machen. Gleichzeitig
stellt die Studie modernen Benzinmotoren mit Direkteinspritzung ein
denkbar schlechtes Zeugnis aus: Durch den Verbrennungsprozess
entstehen sehr kleine Feinstaubpartikel, die Krebs auslösen können.
Verhindern lassen sich diese Emissionen durch Partikelfilter, die in
Deutschland aber erst seit September 2018 für neu zugelassene Wagen
verpflichtend sind. Das heißt: Bei Millionen Benzinern mit
Direkteinspritzung wäre eine verpflichtende Filter-Nachrüstung ebenso
sinnvoll wie bei den Diesel-Pkw. Wetten, dass sich die Politik das
nicht traut?



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
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Datum: 09.04.2019 - 18:40 Uhr
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