BERLINER MORGENPOST: Eine Partei ohne Führung / Leitartikel von Christine Richter zur Berliner SPD
(ots) - Das passiert nicht oft: Die Berliner SPD hat es in
den vergangenen Tagen in die "Tagesschau" geschafft. Freuen kann man
sich allerdings nicht darüber, denn es ging um den
Bundeswehr-Beschluss, den die Berliner Sozialdemokraten am
vergangenen Wochenende auf ihrem Parteitag verabschiedet haben.
Demnach sollen Informationsveranstaltungen der Bundeswehr in Schulen
künftig in Berlin untersagt sein, denn so die Begründung des Antrags:
"Für Töten und Sterben macht man keine Werbung."
Die Empörung über die Haltung der Sozialdemokraten zur Bundeswehr
war, als der Beschluss am Montag öffentlich bekannt wurde, groß. Zum
Glück. Die Bundes-SPD - wo die Berliner Sozialdemokraten eh einen
schlechten Ruf haben - schäumte. Thomas Oppermann, einst
einflussreicher SPD-Fraktionschef im Bundestag und jetzt
Vize-Parlamentspräsident, erklärte den Berlinern, dass wir mit der
Bundeswehr eine Parlamentsarmee haben und die sehr wohl zu unserer
Demokratie gehört. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte: "Ich bin
Jugendoffizieren für ihre wertvolle und durchaus kontroverse Arbeit
sehr dankbar." Und sogar Andrea Nahles, die SPD-Chefin, die zum
linken Flügel zählt, distanzierte sich von den Berlinern.
Ich frage mich, wie so ein Antrag überhaupt durchkommen kann.
Gestellt übrigens von der Spandauer SPD, deren Chef Raed Saleh, der
Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, ist. Es gibt doch - wie in jeder
Partei - eine Antragskommission, die einen Parteitag vorbereitet.
Chef der Berliner SPD ist Michael Müller. Er müsste doch einen
solchen Antrag verhindern können. Und zwar aus innerer Überzeugung,
dass die Bundeswehr ein wichtiger Teil unserer Demokratie ist. Dass
wir stolz sind auf unsere Soldaten und Soldatinnen, die unsere
Freiheit und den Frieden verteidigen, die auch für uns und unsere
Werte bei Auslandssätzen den Kopf hinhalten. Soldaten, das sind
Staatsbürger in Uniform. Und wer meint, dass die Bundeswehr in
Schulen auf Werbetour geht, der kennt sich auch überhaupt nicht aus.
Die Jugendoffiziere kommen auf Einladung einer Schule zu den
Jugendlichen, sie berichten über die Arbeit der Bundeswehr, über die
internationale Sicherheitslage oder die Auslandseinsätze. Geworben
wird dort nicht. Das ist Aufgabe der Karriereberater - beispielsweise
bei Ausbildungsmessen.
Nun, Müller hat diesen Beschluss nicht verhindert. Im Laufe der
Woche erklärte er dann, er glaube nicht, dass dieser umgesetzt werde,
denn es sei ja die Entscheidung einer jeden Schule, wen sie einlade.
Der politische Schaden war da längst angerichtet.
Wenn Müller aber schon so wenig in der Berliner SPD zu sagen hat -
auch ein Beschluss zu Enteignungen, die Müller inzwischen ablehnt,
kam auf dem Parteitag nicht zustande -, wer denn dann, frage ich
mich. Saleh, der Fraktionschef, offensichtlich auch nicht. Er
trommelte vor dem Parteitag mächtig dafür, dass Lehrer in Berlin
wieder verbeamtet werden sollten. Jahrelang hat die SPD die
Verbeamtung abgelehnt, inzwischen ist Berlin aber das einzige
Bundesland, das nicht mehr verbeamtet. Mit der Folge, dass viele
Lehrer in andere Bundesländer abwandern und der Lehrermangel in der
Stadt immer größer wird. Doch die Berliner Sozialdemokraten hören
auch nicht auf Saleh: Leidenschaftlich wurde auf dem Parteitag
diskutiert, es gab mehr als 40 Wortmeldungen - und die Verbeamtung
wurde abgelehnt.
In der jüngsten Forsa-Umfrage kommen die Sozialdemokraten in
Berlin nur noch auf 15 Prozent. Als Partei, die den Regierenden
Bürgermeister stellt. Aber wer so agiert, wer mit solchen Positionen
beim Wähler punkten will, für den kann es auch noch weiter bergab
gehen. Ganz schnell.
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Datum: 06.04.2019 - 21:10 Uhr
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