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Zu schwach für den Klimaschutz - Nach EU-Beschluss für Pkw-CO2-Grenzwerte muss Bundesregierung national nachsteuern

ID: 1709113


(ots) - EU-Parlament hat einer zu wenig ambitionierten
CO2-Reduktionsvorgabe bis 2030 für Pkw-Neuzulassungen zugestimmt -
Deutsche Umwelthilfe sieht darin Freibrief für noch mehr
Stadt-Geländewagen in unseren Städten - Richtlinie ist zu schwach, um
die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen - DUH sieht die
Bundesregierung in der Pflicht, national mit der Abschaffung der
Dieselsubventionen und der Einführung eines Bonus-Malus Systems
nachzusteuern - Für eine erfolgreiche Elektromobilität ist ein
Tempolimit in Deutschland unverzichtbar

Auf den ersten Blick klingen die Zahlen überzeugend: Ab 2021
gelten in der EU neue CO2-Minderungsvorgaben für Pkw-Flotten. Bis
2030 soll der CO2-Ausstoß von Pkw in der EU um 37,5 Prozent reduziert
werden. Das hat das EU-Parlament am gestrigen 27. März 2019
verabschiedet. Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hat die EU
in Wahrheit eine große Chance für den Klimaschutz vertan. Durch die
weniger bekannten Berechnungsmethoden und Rahmenbedingungen dieser
Richtlinie erhalten die Autohersteller tatsächlich sogar die
Möglichkeit, bis 2030 bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren die
CO2-Emissionen zu erhöhen.

Die Entscheidung für prozentuale CO2-Minderungsvorgaben auf Basis
von Labor- und nicht Straßenmessungen ermöglicht der Industrie neue
Tricksereien. Die DUH sieht die Bundesregierung daher in der Pflicht,
mit kurzfristig wirksamen Regelungen auf nationaler Ebene die
Autobauer zu tatsächlich spritsparenden oder wenig Strom benötigenden
Neufahrzeugen zu bewegen und so die nötigen CO2-Einsparungen im
Verkehrssektor sicherzustellen. Dazu gehört die Abschaffung der
Dieselsubvention, die Förderung emissionsarmer Fahrzeuge durch ein
Bonus--Malus-System sowie die Einführung eines generellen Tempolimits
von 120 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen.





Bis 2021 wurde der EU-weit geltende CO2-Flottengrenzwert in
absoluten Zahlen auf 95g CO2/km auf Basis des Labor-Testzyklus NEFZ
festgelegt. Die neue Regelung sieht stattdessen eine prozentuale
Minderung auf Basis des neuen Labortestzyklus WLTP vor. Dessen
Ausgangswert wird allerdings erst noch festgelegt. Durch die
Umstellung wird es den Herstellern möglich gemacht, den Ausgangswert
für die CO2-Minderungsvorgaben der Pkw-Flotten künstlich
hochzusetzen. Dies spielt den Autoherstellern in die Karten, die den
aktuell einzuhaltenden absoluten Grenzwert von 95g CO2/km
überschreiten.

Der Flottengrenzwert, auf dessen Basis die CO2-Reduktion von 37,5
Prozent bis 2030 geplant ist, wird durch weitere Tricksereien
entwertet. So werden Elektro-Pkw mit 0 g CO2/km gewertet. Aktuell
rechnet selbst die Branche für 2030 mit bis zu 40 Prozent
Elektroanteil an den Neufahrzeugen. Das bedeutet, dass für die
übrigen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren über zehn Jahre hinweg
keine Verbesserungen der CO2-Werte mehr erreicht werden müssten. Die
Autobauer können so den Anteil großer und schwerer SUVs weiter
ungestört ausbauen.

Aus Sicht der DUH und anderer deutscher Umweltverbände wäre es
nötig gewesen, für das Jahr 2025 einen CO2-Grenzwert von 70 g/km und
für 2030 von 40 g CO2/km auf Basis des WLTP festzuschreiben und die
CO2-Werte unter realistischen Bedingungen auf der Straße zu
ermitteln.

"Die Bundesregierung hat maßgeblich mit dafür gesorgt, dass sich
die EU auf diese schwachen CO2-Minderungsziele für Pkw verständigt
hat und so kein Anstoß für mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich
stattfindet. Der Anti-Klimaschutz-Kurs der Bundesregierung setzt sich
auf nationaler Ebene fort. Minister Scheuer hat verhindert, dass die
von ihm eingesetzte Verkehrskommission wirksame Maßnahmen vorlegt,
die die CO2-Emissionen soweit senken könnten, wie es die nationalen
und internationalen Verpflichtungen erfordern", sagt Barbara Metz,
Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH. Die Versäumnisse
kommen bald auch den Steuerzahler teuer zu stehen, denn werden die
Klimaschutzziele der EU nicht erfüllt, muss die Bundesregierung teure
Zertifikate erwerben.

Die DUH fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, nun
eigenständig die notwendigen CO2-Minderungsmaßnahmen auf den Weg zu
bringen, die geeignet sind, die Klimaschutzverpflichtung für 2020 zu
erreichen und somit kurzfristig das Klima zu schützen als auch eine
zukunftsfähige Mobilität zu sichern.

"Konkrete Vorschläge für eine klimafreundliche Verkehrswende
liegen längst vor. Alleine die Bundesregierung will sie nicht
umsetzen", kritisiert Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und
Luftreinhaltung bei der DUH. Mit einem Tempolimit könnten kurzfristig
Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, ohne Kosten beim Verbraucher
zu verursachen. Ein Ende der Dieselsubvention hält die DUH für ebenso
nötig wie eine Strafsteuer für spritschluckende Pkw. Durch ein
Bonus-Malus-System, das den Kauf emissionsarmer Fahrzeuge honoriert
und die Wahl eines Spritschluckers deutlich verteuert, werden Anreize
für weniger klimaschädliche Fahrzeuge auf den Straßen gesetzt. Das
aktuelle System unterstützt Kauf und Betrieb hochmotorisierter
Fahrzeuge, mit denen Hersteller heute die höchsten Gewinnmargen
erzielen.

"Noch im Wahlkampf beteuerte Angela Merkel, dass das Klimaziel
2020 selbstverständlich eingehalten wird. Wenige Monate später hat
dieselbe Kanzlerin geäußert, es sei unmöglich, das Klimaziel 2020
einzuhalten. Wir fordern, dass im letzten Jahr vor 2020 alle
Anstrengungen unternommen werden, um auch kurzfristig wirksame
Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehrssektor auf den
Weg zu bringen. Da der politische Wille für den Klimaschutz
offensichtlich fehlt, ist zu befürchten, dass auch das Klimaziel 2030
kurz vor knapp erneut aufgegeben wird. Das können wir - und auch die
Generationen nach uns - sich nicht leisten", so Saar.

Hintergrund:

Während der EU-weit geltende CO2-Flottengrenzwert bis Ende 2020 in
absoluten Zahlen auf 95g CO2/km auf Basis des NEFZ festgelegt ist,
sollen ab 2021 prozentuale Minderungsvorgaben für die Jahre 2025 und
2030 gelten. Ausgangspunkt für diese prozentuale Minderung ist der zu
ermittelnde durchschnittliche CO2-Ausstoß ab 2021 auf Basis des neuen
Messverfahrens WLTP. Die DUH kritisiert diese prozentualen
Minderungsvorgaben. Denn je höher der WLTP-basierte Ausgangswert ist,
desto einfacher ist es, die prozentualen Minderungsziele von 15
Prozent bis 2025 und 37,5 Prozent bis 2030 zu erreichen.

Die EU-Kommission hat bereits im Juli 2018 darauf hingewiesen,
dass die Hersteller die im WLTP ermittelten CO2-Emissionswerte
künstlich in die Höhe schrauben können. Der Gesetzgeber gestattet mit
diesem Schlupfloch, einen beliebig hohen WLTP-Wert als Ausgangsbasis
für die Minderungsziele anzugeben. Die DUH fordert die EU auf, hier
gegenzusteuern.

Die DUH und andere Umweltverbände hatten entgegen dem EU-Beschluss
für das Jahr 2030 einen absoluten Grenzwert von 40 g CO2/km im realen
Betrieb gefordert. Dies entspricht einer CO2-Minderung um 60 bis 70
Prozent. Dieser Wert ist Voraussetzung für den Weg in Richtung
vollständiger Dekarbonisierung des gesamten Pkw-Bestandes bis zum
Jahr 2050 - einer der zentralen Voraussetzungen zur Einhaltung des
Pariser Klimaabkommens.

Zudem kritisiert die DUH, dass es weder in Deutschland noch in
anderen europäischen Staaten eine konsequente Überwachung der
Spritverbrauchsangaben durch die zuständigen Behörden oder
unabhängigen Prüfeinrichtungen gibt. Die CO2-Emissionen von Pkw in
der EU fallen im Durchschnitt um 39 Prozent höher aus, als die
offiziellen Herstellerangaben glauben machen. Die Autohersteller
werden daher auch den für 2021 festgelegten EU-Flottengrenzwert für
Pkw nur auf dem Papier erreichen.

Links: Verbändepapier zu CO2-Grenzwerten von April 2018:
http://l.duh.de/p190327a



Pressekontakt:
Barbara Metz, Stellvertretende Bundegeschäftsführerin
0170 7686923, metz(at)duh.de

Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung
030 240086772, saar(at)duh.de

DUH-Pressestelle:
Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann
030 2400867-20, presse(at)duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe

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Datum: 28.03.2019 - 10:16 Uhr
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