Mittelbayerische Zeitung: Gefährliche Nachwehen des IS / Die islamistische Terrororganisation ist zwar militärisch weitgehend besiegt, doch viele Kämpfer sind untergetaucht. Europa braucht klare Auflagen für Rückkehrer.
(ots) - Dass jetzt gelbe Fahnen über der schwer
zerstörten syrischen Stadt Baghus wehen, ist eigentlich ein Zeichen
des Sieges über die grausame islamistische Terrororganisation IS
(Islamischer Staat). Vor knapp fünf Jahren hatten sich die
Dschihadisten daran gemacht, ein blutiges Regime, einen islamischen
Gottesstaat zu errichten. Große Teile des Irak und Syriens gerieten
unter die Knute der selbst ernannten Gotteskrieger. Es wurde gebombt,
gefoltert, gemordet, vergewaltigt, versklavt. Der vorschnelle Rückzug
von US-Truppen aus dem Irak sowie der Bürgerkrieg im Nachbarland
Syrien schufen ein Machtvakuum, in das der "Islamische Staat" brutal
hineinstieß. Es ist zuerst den kurdischen und jesidischen Kämpfern
sowie der - zugegeben sehr heterogenen - internationalen
Anti-IS-Allianz zu verdanken, dass dieser Alptraum nun zumindest
militärisch weitgehend besiegt werden konnte. Doch damit ist das
Problem des islamistischen Terrors und der Terroristen noch längst
nicht gelöst. Deren Strukturen sind zwar geschwächt, aber nicht
völlig ausgelöscht. Die Sicherheitskräfte in der Region müssen sich
auf Guerilla-Angriffe untergetauchter IS-Kämpfer einstellen. Und in
den Ländern der Anti-IS-Front, auch Deutschland gehört dazu, muss man
sich gegen Anschläge von Dschihadisten wappnen. Der militärische Sieg
über den IS stellt auch jene, vor allem westliche Länder vor große
Probleme, aus denen einst islamistisch indoktrinierte junge Männer
und Frauen in den "heiligen Krieg" nach Syrien und den Irak gezogen
sind. Leider sind sich die europäischen Staaten uneins, wie sie mit
den gefährlichen Nachwehen des IS umgehen sollten. Eine Lösung, wie
sie die USA mit dem Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba versuchte,
scheidet für Rechtsstaaten aus. Dort saßen und sitzen wirkliche und
vermeintliche Terroristen ohne Gerichtsurteile jahrelang unter
schlimmen Bedingungen fest. Bis heute ist dieses Lager nicht
aufgelöst. Und Donald Trumps Forderung an die Europäer, eigene
Staatsbürger aus den Lagern im Nahen Osten zurückzuholen, ist
wohlfeil. Die US-Behörden etwa sträuben sich, genau das zu tun.
Ebenso ist die Entlassung von IS-Leuten, die noch den Pass ihres
Herkunftslandes besitzen, aus der jeweiligen Staatsbürgerschaft - die
Briten haben das praktiziert - problematisch. Selbst wenn diese
Kämpfer dann staatenlos sind, bleiben sie ein Problem. Derzeit sitzen
Tausende gefangen genommene IS-Leute, auch viele Frauen und Kinder,
in Gefängnissen und Lagern im Irak sowie in Syrien. Zumeist werden
sie von kurdischen Kräften bewacht. Der vom türkischen Präsidenten
Recep Tayyip Erdogan angekündigte Feldzug gegen kurdische Kräfte in
Nordsyrien ist auch deshalb verwerflich, weil dann in den
Kampfeswirren IS-Terroristen frei kommen könnten. Für Deutschland,
von wo aus etwa 1000 IS-Sympathisanten ins Kriegsgebiet gingen, gilt:
Es hilft kein Abwiegeln, aber auch keine Panikmache. Es sollte
differenziert, zielgerichtet und umsichtig reagiert werden. Und es
bedarf dringend der Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften vor
Ort, damit zumindest jeder, der gefangen wurde, nach einer möglichen
Entlassung aus dem Lager nicht so einfach nach Deutschland einreisen
kann. Auch wenn es schwer sein sollte, konkreten Personen aus dem IS
Gräueltaten in Syrien oder dem Irak vor deutschen Gerichten
nachzuweisen, muss der Rechtsstaat alles versuchen, um
rechtsstaatliche Verfahren durchzuführen. Dass dies ordentliche
Gerichte in Syrien oder dem Irak machen werden, ist eine Illusion.
Die gibt es dort nicht. Zudem braucht es in Deutschland gezielte
Aussteigerprogramme sowie eine möglichst engmaschige Überwachung und
klare Auflagen für IS-Rückkehrer und Hilfen für deren
Familienmitglieder.
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