Bremen: BAMF-Ermittlungen offenbar vor Abschluss - ein Hauptbeschuldigter weist Vorwürfe kategorisch zurück
(ots) - Im Fall um möglicherweise zu Unrecht erteilte
Asylbescheide in Bremen hat sich nach Ansicht der dortigen
Staatsanwaltschaft der Verdacht erhärtet. Somit könnte es bald zu
einer Anklage kommen. "Wir sind guter Hoffnung, dass wir zumindest
einen wesentlichen Teil der Ermittlungen im Sommer werden abschließen
können", sagte ein Sprecher NDR und Süddeutscher Zeitung. Die
Ermittlungsgruppe "Antrag" geht inzwischen davon aus, dass zwischen
der damaligen Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) und einem Hildesheimer Asylanwalt
eine besondere Nähe bestand.
Um dem Anwalt zu gefallen, so die Annahme, soll die Beamtin
Asylanträge rechtswidrig positiv entschieden haben - in welcher Zahl,
ist noch nicht endgültig geklärt. Im Hinblick auf die Beweislage
verstärke sich der Eindruck, "dass die Motivlage eher im
zwischenmenschlichen Bereich, im emotionalen Bereich" zu suchen sei,
sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Bremen. Die Ermittler
begründen dies mit einer Vielzahl von E-Mails, die sich der Anwalt
und die BAMF-Außenstellenleiterin geschickt haben sollen.
Der Beschuldigte Hildesheimer Anwalt, Irfan Cakar, hat sich nun
als bisher einziger der Beschuldigten gegenüber NDR und Süddeutscher
Zeitung öffentlich geäußert. Er bezeichnete die Vorwürfe als
"lächerlich". Außerdem sei es seines Wissens "auch nicht verboten,
mit einer Beamtin befreundet zu sein". Auch sein Anwalt, Henning
Sonnenberg, hält es für "abenteuerlich", den BAMF-Skandal als eine
unglückliche Liebesgeschichte darzustellen. Man habe hier
vermeintliche Täter, "und jetzt sucht man verzweifelt eine Tat", sagt
Sonnenberg.
Die Anwälte der ehemaligen Behördenleiterin wollen rechtliche
Schritte gegen die Staatsanwaltschaft prüfen. Ihnen seien die nun
öffentlich erhobenen Vorwürfe bislang nicht bekannt gewesen. Die
Staatsanwaltschaft hätte zunächst der Verteidigung und den
Beschuldigten rechtliches Gehör gewähren müssen, ehe sie sich
entsprechend äußert. Die Anwälte wollen möglicherweise vor dem
Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz auf Unterlassung gegen
die Staatsanwaltschaft Bremen beantragen.
Im Interview mit NDR und Süddeutscher Zeitung sagte Irfan Cakar,
er sei tatsächlich mit der ehemaligen Dienststellen-Leiterin gut
befreundet gewesen. Aber es sei niemals Geld geflossen, "und es sind
keine Asylbescheide rechtswidrig ergangen". Kennengelernt habe er die
ehemalige BAMF-Dienststellenleiterin 2014 über einen Asylfall. Sie
habe sich sofort sehr für das Schicksal der Jesiden interessiert und
sich im Lauf der Zeit mit der gesamten Familie Cakar angefreundet.
"Sie kennt meine Frau, meine Eltern, sie schickt meinen Kindern zu
Geburtstagen Schokolade", sagt Cakar. Natürlich sei für ihn die
Bekanntschaft ein Vorteil gewesen. Er habe sie mal anrufen und nach
einem Sachstand fragen können.
Cakar ist jesidischer Herkunft, kam als Sechsjähriger mit seinen
Eltern aus der Türkei nach Deutschland, studierte hier Jura und wurde
Anwalt für Verwaltungs- und Strafrecht. In den vergangenen Jahren
seien vor allem jesidische Mandanten zu ihm gekommen, sagt Cakar.
Dass er Fälle von ihnen in Bremen entschieden ließ, sei damals
rechtskonform gewesen. Außerdem hätten seine Mandanten als Angehörige
einer verfolgten Minderheit einen Schutzstatus genossen, der auch an
anderen BAMF-Standorten zum Aufenthaltsrecht in Deutschland geführt
hätte. Ebenso seien nicht alle seine Anträge in Bremen positiv
entschieden worden. Unter Asylanwälten habe die Bremer
BAMF-Außenstelle aber "den Ruf gehabt, wenigstens halbwegs zu
funktionieren". Die dortige Leiterin habe das Asylrecht "human
ausgelegt".
Der Anwalt von Irfan Cakar erhebt nun seinerseits Vorwürfe gegen
die Ermittlungsbehörden. Sein Mandant und die anderen Beschuldigten
seien früh im Verfahren öffentlich vorverurteilt worden, "irgendwas
bleibt da immer hängen".
Als im vergangenen Jahr die Vorwürfe gegen die Leiterin der Bremer
BAMF-Außenstelle bekannt wurden, war schnell von einem großen
Skandal die Rede. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des
Vorwurfs eines bandenmäßigen Handelns und Korruptionsverdachts.
Tausende Asylbescheide seien möglicherweise zu Unrecht ausgestellt
worden. Fast 40 Ermittler überwachten Telefone, durchsuchten
Anwaltskanzleien, beschlagnahmten Behörden- und Privatcomputer. Die
damalige Leiterin der Bundesbehörde, Jutta Cordt, wurde entlassen.
Das Innenministerium hat Anfang März eingeräumt, dass zwar rund
13.000 der seit dem Jahr 2000 in der Hansestadt angelegten Asylakten
überprüft, aber nur 28 positive Entscheide zurückgenommen wurden. Elf
davon hätten Mandanten von ihm betroffen, sagt Irfan Cakar, sechs
solcher Rücknahmen seien inzwischen von Verwaltungsgerichten aber
schon wieder korrigiert worden. "Eine Nummer, die als Staatsaffäre
begonnen hat", findet Cakars Anwalt Sonnenberg, "macht sich sang- und
klanglos vom Acker."
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