Britischer Ex-Schatzkanzler George Osborne im sternüber die Folgen des Brexits: "Wir werden damit noch viele, viele Jahre zu kämpfen haben"
(ots) - Der frühere britische Schatzkanzler George Osborne
hat in einem Interview mit dem stern das EU-Referendum von 2016
bedauert. "Ich wollte das Referendum nicht und dachte immer, es sei
ein Fehler. Ich glaubte, dass wir a) die Konservative Partei spalten
und es b) auch verlieren könnten. Und mir war klar, dass ein Brexit
für Großbritannien und für Europa ein Desaster ist."
Osborne, der seit zwei Jahren die Londoner Zeitung "Evening
Standard" als Chefredakteur leitet, galt als designierter Nachfolger
des damaligen Premiers David Cameron. Er hatte immer wieder auf die
Folgen einer möglichen Niederlage hingewiesen: "Es ist nun wirklich
nicht so, dass die Leute nicht gewarnt worden sind. Aber aus welchen
Gründen auch immer: Sie haben nicht gehört."
Auf die Frage, wie er das politische Chaos in seinem Land
bewertet, sagte Osborne, es sei ihm zu leicht, alles auf die
Politiker zu schieben. Sie hätten vor einer unlösbaren Aufgabe
gestanden: "Sie sollen einen Brexit abliefern, der Großbritannien
nicht beschädigt. Einen Brexit, bei dem wir alle Vorzüge der EU
genießen, aber nichts dafür zahlen. Einen Brexit, der die Immigration
stoppt. Einen Brexit, der Geld ins Gesundheitssystem spült. Und einen
Brexit, der uns mehr Einfluss und Kontrolle in der Welt bringt."
Nichts davon sei möglich.
Der frühere Schatzkanzler kritisiert im stern auch seine frühere
Kabinettskollegin Theresa May. Die Premierministerin habe
unnötigerweise vor den Verhandlungen mit der EU die roten Linien
gesetzt, die sich als schädlich erwiesen. Und: "Es war Theresa May,
die ohne Not Neuwahlen ausrief, die Mehrheit verlor und sich und die
Regierung damit schwächte. Und es war Theresa May, die nicht auf die
Mitglieder ihres eigenen Kabinetts hörte, die sie warnten, dass sie
den Deal so nicht durchs Parlament bringen würde. Dafür trägt sie die
Verantwortung." May habe folgerichtig keine Mehrheit mehr im Kabinett
und noch weniger im Unterhaus - "das ist ein kompletter
Kontrollverlust".
Osborne gab sich aber durchaus selbstkritisch und räumte Fehler
vor dem Referendum ein. Er bereue am meisten, "dass wir überhaupt ein
Referendum hatten. Und dass wir nicht genügend Zeit darauf verwandt
haben, über die Vorteile Europas zu sprechen. Und zwar auch über die
Vorteile von Immigration." Es sei dann schwierig gewesen, die
Menschen auf den letzten Metern zu überzeugen. "Mit dem bekannten
Ergebnis."
Eben dieses Ergebnis würde das Land nun lange beschäftigen: Jeder,
der glaube, mit dem Brexit sei dann auch alles geregelt und unter
Dach und Fach, irre sich gewaltig. "Wir werden damit noch viele,
viele Jahre zu kämpfen haben."
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Datum: 20.03.2019 - 11:00 Uhr
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