Heilbronner Stimme: Zentralrat der Juden kritisiert Viktor Orbán: Es werden Vorurteile gegen Juden geschürt und bedient. Josef Schuster warnt vor Erstarken der Populisten in Europa.
(ots) - Gut zwei Monate vor der Europawahl warnt der
Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, vor einem
Erstarken der Populisten. Schuster sagte der "Heilbronner Stimme"
(Mittwoch): "In meinen Augen gibt es in vielen Ländern eine zunehmend
gefährliche Gemengelage aus Nationalismus und Extremismus. Alle
Bürger in der EU sind gefordert, für die Demokratie einzutreten." Er
betonte: "Wir sollten die Debatte allerdings nicht allein den
Politikern überlassen, sondern zum Beispiel auch in Kirchen oder in
Vereinen führen. Es ist eine breite Diskussion über die Vorzüge eines
freien und einigen Europas notwendig, das Thema geht uns alle an." Er
hoffe auf ein "deutliches Bekenntnis zu Europa und zur Europäischen
Union". Zudem begrüße er die Idee eines Paktes gegen Antisemitismus
in Europa, wie ihn der CSU-Politiker Manfred Weber vorgeschlagen hat.
Schuster: "Die antisemitischen Ressentiments waren nie weg, sondern
schwelten in zahlreichen Staaten lange unter der Oberfläche. Nun
stellen wir leider fest: Es wird wieder antisemitisch argumentiert
und agiert."
Scharfe Kritik äußert Schuster zur Kampagne des ungarischen
Regierungschefs Viktor Orbán, der Anti-EU-Plakate kleben lässt, die
EU-Kommissionschef Juncker und den jüdischen Milliardär Soros zeigen.
Schuster sagte: " Was man hier im Wahlkampf in Ungarn sieht, ist
jenseits einer akzeptablen Grenze. Hier wird ganz klar mit
antisemitischen Stereotypen bewusst Politik gemacht. Es werden
Vorurteile gegen Juden geschürt und bedient. Es ist ein weites
Überschreiten einer roten Linie."
Der Präsident des Zentralrates der Juden fordert zudem eine
Überarbeitung des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das soziale
Netzwerke dazu verpflichtet, stärker gegen Hassbotschaften
vorzugehen. Schuster: "Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz war ein
wichtiger und richtiger Schritt, aber es scheint mir nicht in allen
Punkten zu greifen." Das Gesetz sollte rasch "optimiert werden".
Schuster: "Es ist nicht zu verstehen, dass Hassbotschaften nach wie
vor nicht unverzüglich gelöscht werden. In sozialen Medien gibt es
nach wie vor Räume, in denen man sich äußern kann, ohne Sorge zu
haben, für Beleidigungen belangt zu werden. Besonders schlimm ist,
dass auch die antijüdischen Klischees aus der Nazizeit und
Verschwörungstheorien einen breiten Raum einnehmen."
Mahnende Worte richtete er an Fußballvereine, bei denen es zuletzt
zu rassistischen Vorfällen gekommen war. Schuster: "Es ist leider
keine neue Erkenntnis, dass die Anhängerschaften einzelner Vereine
von rechts unterwandert sind. Spieler werden aufgrund ihrer Herkunft,
Religion oder Hautfarbe beleidigt. Der FC Union Berlin hat sich sehr
deutlich von dem antisemitischen Angriff seiner Fans auf Almog Cohen
distanziert, sich entschuldigt und Konsequenzen gezogen. In Chemnitz
war die Reaktion leider nicht so eindeutig. Ich hoffe, dass sich
Klubs grundsätzlich klar gegen Antisemitismus und Rassismus
positionieren. Auch auf die Gefahr hin, dass einige ihrer "Fans"
nicht mehr ins Stadion kommen." Im Stadion des Chemnitzer FC war es
kürzlich zu umstrittenen Trauerbekundungen für einen bekannten
rechten Hooligans gekommen.
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Datum: 20.03.2019 - 09:13 Uhr
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