Giftinformationszentren: Farbenindustrie fordert Verschiebung der Meldepflicht / Erwartete Kosten von Milliarden Euro lähmen Farben- und Lackhersteller - Voraussetzungen noch nicht gegeben
(ots) - Die deutsche Farbenindustrie fordert
dringend eine Verschiebung der für Anfang 2020 vorgesehenen neuen
Meldepflichten von Unternehmen in Europa an die sogenannten
Giftinformationszentren. Eine Einführung auf Basis der bestehenden
Regelungen verursache eine nicht zu bewältigende Kostenlawine, warnt
der Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL)
anlässlich der Diskussion im zuständigen EU-Ausschuss CARACAL.
Der VdL beruft sich auf Ergebnisse einer EU-Studie, die eine rund
300-fache Steigerung des Aufwands für Hersteller von Farben und Lacke
voraussagt. Der Verband kritisiert, dass dem gewaltigen Aufwand ein
sehr geringer Nutzen gegenüberstehe. Konkret geht es um neue,
einheitliche Regelungen für Meldungen von Unternehmen an sogenannte
"Giftinformationszentren", die ab 1.1.2020 europaweit in Kraft treten
sollen. Über diese kann im Notfall medizinisches Fachpersonal
telefonisch Hilfestellung bei Vergiftungen leisten. Hierzu ist
aktuell eine EU-Datenbank im Aufbau.
Im Vorfeld hatte die europäische Kommission eine
Machbarkeitsstudie beauftragt, um die Umsetzbarkeit der neuen
Regelungen zu prüfen. Die Studie kommt nun - gerade mal acht Monate
vor der geplanten Einführung - zum vorläufigen Ergebnis, dass sich
die Anzahl der Meldungen für die Farbenindustrie dramatisch erhöhen
werde: Demnach steige die Gesamtzahl der Neumeldungen an
Giftinformationszentren für Farben und Lacke europaweit von heute
circa 150.000 auf mindestens 44,5 Millionen pro Jahr - eine
300-fache Steigerung. Hinzu kämen geschätzte 1,7 Millionen
Aktualisierungen jährlich.
"Dieser Aufwand wäre für die zumeist mittelständischen
Farbenhersteller nicht tragbar und existenzgefährdend", warnt
VdL-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Engelmann. Selbst wenn man nur
den von der Kommission selbst geschätzten Aufwand von 220 Euro pro
Meldung annehmen würde, ergäben sich bei geschätzten 11 Millionen
Meldungen von deutschen Farbherstellern Gesamtkosten von 2,4
Milliarden Euro pro Jahr. "Die Unternehmen einer Branche mit einem
Gesamtumsatz von knapp 7 Milliarden Euro wären hiervon offensichtlich
überfordert", rechnet Engelmann vor. Selbst wenn die Kosten mithilfe
der Technik reduziert werden könnten, bleibe jede einzelne Meldung
zeitaufwändig, weil die notwendigen Informationen von den Lieferanten
erst eingeholt werden müssten.
Demgegenüber stehe die nach wie vor sehr geringe Zahl von
Vergiftungs-Anfragen für der Bereich Farben und Lacke: So entfielen
2017 beim Giftinformationszentrum Nord von 41.161 Anfragen lediglich
0,4% (176) auf den Bereich. Zu wirklichen Vergiftungen aufgrund von
Farben und Lacke kam es wiederum nur in Einzelfällen, von denen
keiner schwere Folgen hatte.
Der VdL unterstütze eine Überarbeitung der europäischen Regelungen
nachdrücklich, betont Engelmann. "Unsere Unternehmen nehmen die
Verantwortung für ihre Produkte ernst. Und natürlich sind wir dafür,
dass Ärzte über ausreichende Informationen verfügen, um Patienten
schnell behandeln zu können. Aber Aufwand und Nutzen dürfen nicht in
einem so krassen Missverhältnis stehen wie in diesem Fall." Daher
müsse der Umsetzungsbeginn verschoben werden. "Notwendig ist eine
Verschiebung um zwei Jahre, damit auf Basis der Studie die Änderungen
verabschiedet, die entsprechenden Leitlinien und IT-Werkzeuge
erstellt werden können und den Unternehmen ausreichend Zeit bleibt,
ihrerseits IT-Lösungen zu erarbeiten." Die Verschiebung sei außerdem
notwendig, damit die Datensicherheit für die vielen hunderttausenden
Rezepturen, die von Farben- und Lack-Herstellern zu melden sind,
europaweit sichergestellt wird. Die Entscheidung über eine
Verschiebung solle so schnell wie möglich erfolgen, um sowohl
Unternehmen als auch Giftinformationszentren Rechts- und
Planungssicherheit zu geben.
Der Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e.V.
(VdL) repräsentiert über 180 zumeist mittelständische Lack-, Farben-
und Druckfarbenhersteller in Deutschland. Im VdL sind über 90 Prozent
des Industriezweiges organisiert. Die Branche setzte 2016 rund 8
Milliarden Euro um und beschäftigt circa 25.000 Mitarbeiter.
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Alexander Schneider
Leiter Kommunikation
Verband der deutschen
Lack- und Druckfarbenindustrie e. V.
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Datum: 20.03.2019 - 09:00 Uhr
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