Westfalen-Blatt: ein Pro und Contra zum EuGH-Urteil in Sachen Abschiebungen
(ots) - Pro: Wenn in Deutschland in einem Jahr mehr
Erstanträge auf Asyl gestellt werden als insgesamt Flüchtlinge in die
EU eingereist sind, dann kann etwas nicht stimmen. Für das, was nicht
stimmt, gibt es einen Begriff: Sekundärmigration. Das bedeutet in der
Praxis, dass sich bereits in einem EU-Staat registrierte Asylbewerber
innerhalb der EU das Land, in dem sie gemeldet sein und
Sozialleistungen erhalten wollen, aussuchen können. Wer das nicht
glaubt, sollte sich in den Flixbus von Stockholm nach Köln setzen.
Der kurze Abschnitt von Lübeck nach Hamburg genügt völlig. In der
Weltstadt leert sich der Bus sichtbar. Da auch Skandinavien nicht
mehr so aufnahmebereit ist wie vor Jahren, ist Deutschland mehr denn
je Ziel Nummer eins. Der Europäische Gerichtshof steht wegen seiner
Auslegung der Sozialgesetzgebung oft in der Kritik. Seine
Entscheidungen haben zum Brexit-Votum beigetragen. Hoffentlich hat
man in Luxemburg daraus gelernt.
Contra: Das Urteil des EuGH, das die Rückschiebung von
Asylbewerbern in EU-Staaten deutlich erleichtert, ist juristisch
korrekt. Schließlich bezieht es sich auf einen gültigen
Staatsvertrag. Sein Ziel, das Umherreisen von Flüchtlingen auf der
Suche nach den besten Lebensbedingungen zu verhindern, ist
verständlich. Der Fehler liegt in der Grundlage für das Urteil, dem
Dublin-Abkommen. Ob über Land oder auf See: Flüchtlinge, die nach
Deutschland kommen, müssen fast immer andere Länder durchqueren.
Diese tragen seit Jahren den weitaus größten Teil der Last.
Verständlich, dass einige die Hände heben - mit der Folge, dass die
Bedingungen in vielen Lagern Süd- und Südosteuropas unmenschlich
geworden sind. Es gäbe einen Weg, keinen Staat übermäßig zu belasten.
Doch dann müssten sich die Regierungen der EU auf ein Quotensystem
einigen. So bleibt als Alternative nur, den Einzelfall zu sehen und
in krassen Fällen Menschlichkeit walten zu lassen.
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Datum: 19.03.2019 - 21:05 Uhr
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