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Mittelbayerische Zeitung: Ein extrem schmaler Grat / Orbán will einen Rauswurf aus der EVP-Familie abwenden und taktiert hart am Rand des Erträglichen. Weber muss höllisch aufpassen. Von Ulrich Krökel

ID: 1705228


(ots) - Die zu Ende gehende Woche lieferte der
europäischen Politik, abseits des ewigen Brexit-Dramas, eine kleine
Sensation: Viktor Orbán, der starke Mann Ungarns mit dem auch
international raumgreifenden Ego, entschuldigte sich. In einem Brief
an ein Dutzend Parteiführer aus der konservativen EVP-Familie
bedauerte er, sie als "nützliche Idioten" bezeichnet zu haben. Er
beugte sich allem Anschein nach sogar dem Ultimatum, das ihm
EVP-Fraktionschef Manfred Weber gestellt hatte, und gab im Streit um
seine jüngste Anti-EU-Kampagne auf breiter Front nach. Ein Rauswurf
von Orbáns nationalistischer Fidesz-Partei aus der EVP, der auch die
deutschen Unionsparteien angehören, ist damit unwahrscheinlicher
geworden. Vom Tisch ist sie aber noch nicht, wie Weber am Freitag
klarstellte. Der CSU-Mann aus Niederbayern, der nach der Europawahl
im Mai Kommissionspräsident in Brüssel werden will und dafür
möglichst viele Unterstützer braucht, wandelt bei seinen Versuchen,
einen hoffentlich geläuterten Orbán in der EVP zu halten, ohnehin auf
einem schmalen Grat. Tatsache ist: Orbán hat seine europäischen
Parteifreunde seit Jahren mit immer neuen und immer schändlicheren
Vorstößen über Rechtsaußen provoziert. Der Streit über die
Migrationspolitik erlaubte es ihm dabei, seine autoritäre Agenda zur
Abwehrschlacht des christlichen Abendlandes zu stilisieren. Faktisch
dagegen hat Orbán in Ungarn die Gewaltenteilung weitgehend
abgeschafft, den Rechtsstaat ausgehöhlt und nach eigenem Bekunden
eine "illiberale Demokratie" installiert. In Brüssel und Straßburg
verhinderte unterdessen ein ums andere Mal die EVP, dass die EU ihre
Sanktionsmöglichkeiten gegen Orbán voll ausschöpfte. CSU-Mann Weber,
der die EVP am liebsten als möglichst weitgefasstes und entsprechend
einflussreiches Parteienbündnis zusammenhalten würde, übte sich dabei




im Dauerspagat. Dafür darf er sich nun als durchsetzungsstarker
Verhandlungsführer feiern lassen. Das Problem dabei ist: Mit Orbáns
Fidesz im Parteienbund lässt sich auf Dauer nur verlieren. Der
ungarische Ministerpräsident nämlich ist ein lupenreiner und
bekennender Nationalist, der die Europäische Union nur deshalb noch
nicht verlassen hat, weil die Wirtschaft seines Landes von den
Finanzhilfen aus Brüssel existenziell abhängig ist. Orbán hat mit
seinen antieuropäischen Provokationen und antidemokratischen Aktionen
schon unzählige Male bewiesen, dass er den Wertekanon der EVP nicht
teilt. Er ist immer erst dann zurückgewichen, wenn ihm ernste
Gegenwehr drohte, nur um anschließend neue, noch heftigere
Anti-EU-Attacken zu reiten, die er inzwischen auch in den Kontext
seiner antisemitischen Kampagne gegen den US-Milliardär George Soros
stellt. Es spricht also alles dafür, dass Orbán auch diesmal wieder
bis zum Äußersten taktiert. Darf der Fidesz in der EVP bleiben (die
Entscheidung fällt in der neuen Woche), ist es nur eine Frage der
Zeit, bis er den nächsten Frontalangriff gegen Brüssel startet. Mehr
noch: Die Mitgliedschaft des Fidesz in der EVP gibt Orbán eine
Machtfülle in Europa, die dem Regierungschef eines kleinen,
ökonomisch eher schwachen EU-Staates eigentlich gar nicht zukommt.
Ein Rauswurf würde seinen Einfluss in der EU dramatisch verringern.
Das weiß Orbán sehr gut. Also entschuldigt er sich, wenn es sein
muss. Er taktiert bis hart an den Rand des Erträglichen heran, aber
offenbar doch klüger als Weber und die EVP-Führung, die endlich
einmal Farbe bekennen müssten: für den Multilateralismus und die Idee
von einem geeinten Europa, vor allem aber gegen Nationalismus,
Antisemitismus und Populismus.



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Datum: 15.03.2019 - 19:15 Uhr
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