Tötungsdelikt in Chemnitz: Irakische Sicherheitsbehörden fahnden nach Tatverdächtigem - Farhad A. konnte sich tagelang in Chemnitz verstecken
(ots) - Auf der Suche nach einem der Verdächtigen im
Chemnitzer Totschlagsfall erhält die deutsche Justiz nunmehr Hilfe
durch den Irak. Aus Regierungskreisen in Bagdad hieß es, die
Sicherheitsbehörden fahndeten nach Farhad A., einem irakischen
Flüchtling, der unter dem Verdacht steht Ende August 2018 am Rande
des Chemnitzer Stadtfests den Deutschen Daniel H. mit einem Messer
getötet zu haben. In deutschen Regierungskreisen hieß es auf Anfrage
von NDR, MDR, WDR und SZ, die Bundesrepublik habe bereits ein
entsprechendes Rechtshilfeersuchen an den Irak gerichtet.
Am Montag beginnt in Dresden der Strafprozess gegen einen der
Verdächtigen in dem Chemnitzer Kriminalfall. Dabei handelt es sich um
den Syrer Alaa S., der wegen gemeinschaftlich begangenen Totschlags
angeklagt ist. Allerdings deuten die bisherigen Ermittlungsergebnisse
darauf hin, dass Farhad A. einen erheblichen Anteil an der Tat gehabt
haben dürfte. Er galt als notorisch aggressiv, mehrmals soll er auch
durch Messerangriffe aufgefallen sein, wegen etlicher Straftaten war
er polizeibekannt. Der Strafprozess in Dresden wird ohne Farhad A.
also unvollständig sein.
Der Umgang deutscher Behörden mit Farhad A. wirft zudem etliche
Fragen auf. A., der aus den Kurdengebieten des Irak stammt, stellte
2016 einen Asylantrag. Als dieser Anfang 2017 abgelehnt wurde, klagte
A. beim Verwaltungsgericht. Das Gericht wies seine Klage ab,
allerdings erst Ende 2018, also mehr als anderthalb Jahre später. In
der Zwischenzeit soll Farhad A. in Chemnitz etliche Straftaten
begangen haben, unter anderem fiel er der Polizei auf wegen
Drogenhandels, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen
Vollstreckungsbeamte. Strafrechtlich verurteilt wurde er aber nur in
einem Fall, wegen eines Betäubungsmitteldeliktes.
Möglicherweise ist es auch nach dem Tod des Deutschen Daniel H. in
den Morgenstunden des 26. August zu Pannen gekommen. Kurz nach der
Tat im Chemnitzer Stadtzentrum nahm die Polizei zwei Verdächtige
fest: den Syrer Alaa S., der jetzt vor Gericht steht, sowie Yousif
A., der inzwischen wieder freigelassen wurde. Yousif A. berichtete
bei seiner richterlichen Beschuldigtenvernehmung am 27. August, dass
sein Bekannter Farhad A. an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen
sei und nach eigener Aussage ein Messer dabeigehabt habe. Trotz
dieser Information suchte die Polizei erst fünf Tage später, am 1.
September 2018, gezielt nach Farhad A. Zwei weitere Tage später, am
3. September, beantragte die Staatsanwaltschaft Chemnitz einen
Haftbefehl gegen ihn.
Dabei soll sich Farhad A. zunächst noch in der Stadt versteckt
haben. Einer seiner Bekannten, der Iraker Azad S., erklärte in einem
Interview mit NDR, MDR, WDR und SZ, er habe Farhad A. kurz nach der
Tat für eine Nacht bei sich aufgenommen. Er habe A. angesehen, dass
dieser in Schwierigkeiten steckte. Die Ermittlungen haben ergeben,
dass sich Farhad A. womöglich von einem Bekannten per Auto nach
Leipzig fahren ließ, danach verliert sich seine Spur. Es gilt als
wahrscheinlich, dass sich Farhad A. im Ausland versteckt.
Zu den Umständen der Flucht wollte sich die Staatsanwaltschaft auf
Anfrage nicht äußern.
Nach der Tat wurde in der Nähe des Tatorts ein Messer mit
Blutspuren des Opfers Daniel H. gefunden. Spuren des nunmehr
Angeklagten Alaa S. finden sich daran nicht. S. wird vor allem von
einem Zeugen belastet, der ihn bei stichartigen Bewegungen beobachtet
haben will. Allerdings hat der Zeuge erklärt, er habe kein Messer
sehen können. Alaa S. beteuert seine Unschuld; er sei gar nicht
unmittelbar am Tatort gewesen.
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