Zukunft der deutschen Gedenk- und Erinnerungskultur/Treffen von Kirchenvertretern und Rabbinern in Frankfurt am Main
(ots) - Die Frage nach der Zukunft der deutschen Gedenk-
und Erinnerungskultur stand im Zentrum des diesjährigen Treffens von
Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz, des Rates der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Allgemeinen und der
Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands am 7. März 2019 in
Frankfurt am Main. Angesichts einer von Rechtspopulisten lautstark
vorgetragenen Kritik an der deutschen Kultur der Erinnerung an die
nationalsozialistische Diktatur stimmten Rabbiner und
Kirchenvertreter darin überein, dass die Erinnerung an die Opfer des
Nationalsozialismus unverzichtbar zur politischen Kultur Deutschlands
und Europas gehört. Der Erfolg der Demokratie in Deutschland sei auch
einer Gedenkkultur zu verdanken, die weder das Unrecht der
Vergangenheit noch das antisemitische und menschenverachtende Erbe
der NS-Zeit verschweigt.
Die Einschätzung, dass die Erinnerungskultur überfrachtet sei,
finde sich schon in den 1950er Jahren, betonte der neue Vorsitzende
der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ARK), Andreas
Nachama, der auch die Ausstellung Topographie des Terrors in Berlin
leitet. "Genau deswegen", so Nachama weiter, "ist unsere gemeinsame
Erinnerungsarbeit notwendig. Die Lehre aus der Geschichte ist:
Völkermorde sind geschehen, also können sie wieder geschehen. Unsere
Aufgabe - aller, die heute leben - ist es doch, dafür zu sorgen, dass
so etwas möglichst nie wieder geschieht."
Der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich
Bedford-Strohm, hob die Bedeutung "der jüdisch-christlichen
Überlieferung für eine öffentliche Erinnerungskultur" hervor: "Indem
die Kirche gemeinsam mit den jüdischen Geschwistern öffentlich für
das Gedächtnis der Opfer der Geschichte eintritt, indem sie
verhindert, dass die Opfer von Ungerechtigkeit den endgültigen Tod
durch das Vergessen erleiden, schafft sie die Voraussetzung für ein
Erinnern, das gerade durch die Würdigung und Anerkennung vergangenen
Leidens neues Leiden verhindert." Dem stimmte der katholische Bischof
Ulrich Neymeyr (Erfurt), Vorsitzender der Unterkommission für die
religiösen Beziehungen zum Judentum der Deutschen Bischofskonferenz,
ausdrücklich zu. Er erinnerte an die Vergebungsbitte von Papst
Johannes Paul II. im Jahr 2000 und fügte hinzu, dass der kritische
Blick auch auf kirchliche Traditionen gerichtet werden müsse, um das
Erbe antijüdischer Vorurteile zu überwinden: "Da haben wir in der
Kirche noch einen weiten Weg vor uns - auch in der Verkündigung und
Katechese, denn viele Katholiken haben noch falsche Vorstellungen vom
Judentum."
Einen kritischen Akzent setzte der Frankfurter Rabbiner
Julian-Chaim Soussan von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland
(ORD). Zwar wolle er die Bedeutung der Erinnerungskultur für die
Demokratie keineswegs schmälern. Allerdings dürften Juden in der
öffentlichen Wahrnehmung nicht auf eine Opferrolle festgelegt werden.
Es gelte vielmehr, den Reichtum der jüdischen Tradition und die
Lebendigkeit des gegenwärtigen Judentums stärker im öffentlichen
Bewusstsein zu verankern.
Seit 2006 treffen sich Vertreter der Allgemeinen Rabbinerkonferenz
Deutschland (ARK) und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland
(ORD) mit Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates
der EKD einmal jährlich zu einem ausführlichen Meinungsaustausch, an
dem auch das Präsidium des Deutschen Koordinierungsrates der
Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit teilnimmt.
Weitere Informationen unter:
Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschlands - www.a-r-k.de Deutsche
Bischofskonferenz - www.dbk.de Evangelische Kirche in Deutschland -
www.ekd.de Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland - www.ordonline.de
Deutscher Koordinierungsrat - www.deutscher-koordinierungsrat.de
Hannover, 7. März 2019
Pressestelle der EKD
Carsten Splitt
Diese Pressemitteilung wird von den Pressestellen der Deutschen
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Datum: 07.03.2019 - 14:00 Uhr
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