VW-Abgasskandal: Vorentscheidung aus Karlsruhe / Führende Abgas-Anwälte Rogert& Ulbrich veröffentlichen bislang ausführlichsten und fundiertesten OLG-Beschluss im Abgasskandal
(ots) - Das OLG Karlsruhe hat in seinem 27-seitigen
Hinweisbeschluss vom 05.03.2019, Az. 13 U 142/18, das Vorliegen einer
sittenwidrigen Schädigung durch die Volkswagen AG bejaht.
Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der illegalen
Umschaltlogik stellt nach Ansicht des Gerichts eine konkludente
Täuschung dar.
Der Käufer eines Fahrzeugs könne nicht nur davon ausgehen, dass im
Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung
formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche
Rücknahme oder Änderung droht, weil die Voraussetzungen dafür bereits
bei der Erteilung nicht vorgelegen hatten. Der Schaden, der dem der
Verbraucher dabei entstanden ist, liege bereits im Abschluss des
ungewollten und für den Verbraucher nachteiligen Kaufvertrages. An
der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der verantwortlichen Akteure bei
Volkswagen ließ das Gericht keine Zweifel.
Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit der illegalen
Abschaltvorrichtung versehenen Fahrzeugs komme allein eine
angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe
Absatzzahlen in Betracht.
Die Sittenwidrigkeit des Handelns ergibt sich aus dem nach Ausmaß
und Vorgehen besonders verwerflichem Charakter der Täuschung von
Kunden unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche
Institution, nämlich das Kraftfahrt-Bundesamt, und unter Inkaufnahme
nicht nur der Schädigung der Käufer sondern auch der Umwelt und zwar
allein im Profitinteresse.
Auch daran, dass der Vorstand vorsätzlich gehandelt habe, ließ das
Gericht keine Zweifel. Angesichts der Tragweite des Entscheidung über
die riskante Gestaltung der Software, die für eine Motorengeneration
konzipiert und millionenfach eingesetzt wurde, erscheint es nach
Ansicht des Gerichts mehr als fernliegend, dass die Entscheidung für
eine rechtswidrige Software ohne Einbindung des Vorstands erfolgt und
lediglich einem "Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure"
zuzuschreiben sei. Dass die Software von einem Zulieferer
programmiert und geliefert wurde, bestärkte das Gericht in dieser
Annahme. Zudem handele es sich bei der Software um ein Kernstück des
Motors, weshalb es jeder Lebenswahrscheinlichkeit widerspreche, dass
die Führungsebene des Unternehmens nicht eingebunden wurde.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rogert, Partner der Prozessbevollmächtigten
des Klägers, ordnet den Beschluss als Meilenstein in der
Auseinandersetzung mit VW ein: "Die rechtliche Auseinandersetzung mit
Volkswagen erlebt ihre Vorentscheidung im Badischen. Erst beschließt
der Karlsruher BGH, dass in der von VW verbauten Abschalteinrichtung
ein Mangel liegt, jetzt legt das Oberlandesgericht Karlsruhe wiederum
im Beschlusswege eine ausgefeilte und ausführliche rechtliche
Würdigung zu der Anspruchsgrundlage vor, die derart überzeugend ist,
dass es für andere deutsche Gerichte schwer wird, anders zu
entscheiden als die Badener. Die Braunschweiger Richter am
Oberlandesgericht werden durch die Vorgaben des Bundesgerichtshofs
und der Oberlandesgerichte Karlsruhe, Köln und Oldenburg gerade im
Rahmen der Musterfeststellungsklage nachzudenken haben, ob die
bislang abweisende Haltung eines anderen Senats durch den erkennenden
4. Senat aufrechterhalten werden kann. "
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Datum: 06.03.2019 - 12:32 Uhr
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