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Mittelbayerische Zeitung: Danzig setzt ein Zeichen für Polen / Die Bürger der Hansestadt haben sich für eine liberalkonservative Bürgermeisterin entschieden.

ID: 1701969


(ots) - Die ruhmreiche Hansestadt Danzig ist heute ein
eher beschaulicher Ort in der nordpolnischen Provinz. Den Eindruck
zumindest kann gewinnen, wer durch die verwinkelten Altstadtgassen
schlendert. Dass es sich mit Danzig in Wirklichkeit ganz anders
verhält, drang im Januar ins Bewusstsein der europäischen
Öffentlichkeit, als ein psychisch labiler Mann den
liberalkonservativen Bürgermeister Pawel Adamowicz erstach. Die Tat
wurde über die Grenzen der Stadt und des Landes hinaus als Symbol
einer Zeit voller politischer Hasspropaganda verstanden. Am Sonntag
haben die Danziger eine Nachfolgerin für Adamowicz gewählt. Sie gaben
ihre Stimmen mit überwältigender Mehrheit seiner langjährigen, nicht
weniger liberalen Vertrauten Aleksandra Dulkiewicz. Man kann diese
Wahl als Zeichen der Solidarität mit Adamowicz über den Tod hinaus
lesen. Man kann sie aber auch als einen Fingerzeig werten, wie sich
das so bedeutsame Wahljahr 2019 in Polen und in anderen Teilen
Osteuropas entwickeln könnte. Im Oktober entscheiden die Polen über
die Zusammensetzung des Sejms in Warschau und damit auch über die
Bilanz der rechtsnationalen PiS-Regierung. Zuvor schon dürften die
Wahlen zum EU-Parlament im Mai zeigen, wohin die Reise in Osteuropa
geht: Werden illiberale, populistische und autoritäre Kräfte die
Zukunft bestimmen, für die exemplarisch der ungarische
Ministerpräsident Viktor Orbán steht? Oder bekommen die bekennenden
Demokraten eine neue Chance? Zu den Demokraten gehörte eindeutig der
ermordete Bürgermeister Adamowicz, und seine erst 39-jährige
Nachfolgerin Dulkiewicz will sein Werk fortsetzen. Aber aus Danzig
kommt noch ein weiterer Mann, von dem im Ringen um die politische
Ausrichtung des östlichen Europas viel abhängen wird: der ehemalige
polnische Premier und heutige EU-Ratspräsident Donald Tusk. Seine




zweite Amtszeit in Brüssel läuft im Herbst aus, und in Polen wird
derzeit viel darüber spekuliert, ob der 61-Jährige sich dann wieder
der Innenpolitik zuwenden könnte. Tusk hat diese Spekulationen
zuletzt genährt, indem er seine Unterstützung für eine neue, geeinte
Oppositionsbewegung in Polen erkennen ließ, deren Ausgangspunkt
wiederum Danzig ist. Der Name der Stadt ist ja nicht nur mit dem
mittelalterlichen Hansehandel und mit dem Beginn des Zweiten
Weltkriegs auf der Westerplatte verbunden. 1980 formierte dort der
spätere Friedensnobelpreisträger Lech Walesa auf der Lenin-Werft auch
die Freiheitsbewegung Solidarnosc, die 1989 die friedlichen
Revolutionen in Osteuropa anführte. 30 Jahre ist das her. Wiederholt
sich Geschichte? Kaum. Aber man kann daran anknüpfen, und die
polnische Opposition tut derzeit genau dies. Am 4. Juni 1989 gab es
in Polen die ersten halbwegs demokratischen Wahlen im sowjetischen
Machtbereich, und als "Bewegung des 4. Juni" wollen sich die
Herausforderer der PiS-Regierung in Warschau nun offenbar
zusammenschließen. Für die Wahl zum EU-Parlament haben die Demokraten
bereits ein Bündnis mit dem Namen Europäische Koalition geschmiedet.
Mit dabei sind die strukturkonservative Bauernpartei ebenso wie Tusks
gemäßigte Bürgerplattform, Liberale, Sozialdemokraten und Grüne. Es
ist kaum übertrieben zu behaupten, dass die Bündelung aller
oppositionellen Kräfte in Polen die auf längere Sicht letzte große
Chance für eine politische Schubumkehr im östlichen Europa ist. Setzt
sich bei der Sejm-Wahl im Herbst die PiS des autoritären Vorsitzenden
Jaroslaw Kaczynski zum zweiten Mal in Folge durch, drohen in Polen,
dem größten und wichtigsten Land der Region, ungarische Verhältnisse,
sprich: eine noch weitergehende Aushöhlung der Demokratie, deren Kern
die Gewaltenteilung ist.



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Datum: 05.03.2019 - 23:15 Uhr
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