Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den CDU-Werkstattgesprächen
(ots) - Die Sach- von der Machtfrage, das
Programmatische vom Persönlichen trennen: In der Migrationspolitik
sind die neue Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre CDU
jetzt in puncto Vergangenheitsbewältigung einen großen Schritt
vorangekommen. Erstmals hat es die Partei geschafft, die
Debatte von Angela Merkel zu lösen - im doppelten Wortsinne. Das
Werkstattgespräch im Konrad-Adenauer-Haus hat gezeigt, wie komplex
das Thema Migration ist und auch bleiben wird. Und dass es für den
Umgang mit Flucht und Vertreibung - mit Ausnahme eines strikten
Abschottungskurses vielleicht - keine einfachen Lösungen gibt. Es
kommt einem Spagat gleich, zwischen dem Wunsch nach Humanität und
Nächstenliebe einerseits sowie der Angst vor eigener Überforderung
und Überfremdung andererseits einen Weg zu finden, der Moral und
Möglichkeiten halbwegs in Einklang bringt. Das Chaos an den Grenzen,
der Kontrollverlust in den Behörden, das Durcheinander zwischen den
Bundesländern - die unübersehbaren Fehler hatten viele Ursachen.
Natürlich war es nie die Kanzlerin allein, die über Wohl und Wehe der
deutschen Flüchtlingspolitik entschied. Doch genau dieser Eindruck
war spätestens nach dem 4. September 2015 entstanden. Und die
unionsinterne, von Horst Seehofer und der CSU befeuerte Fehde
verstärkte diesen Eindruck ebenso wie die von der AfD lauthals
intonierte »Merkel-muss-weg«-Kampagne. Umso wohltuender nun, dass
Angela Merkels damalige Entscheidung, die Grenzen nicht zu schließen,
sowie ihr undifferenzierter und schon allein deshalb missglückter
Appell »Wir schaffen das!« nicht das Werkstattgespräch dominierten.
Klug auch, dass Merkel dabei AKK das Feld überließ und der CDU so die
Freiheit des Diskurses zurückgab, den die Kanzlerinpartei viel zu
lange hintangestellt hatte. Denn dabei drohte die CDU komplett hinter
ihrer Regierungsverantwortung und der damit notwendigerweise
verbundenen Disziplin zu verschwinden. Einen Fraktionsvorsitzenden,
eine Parteichefin und einen Generalsekretär später sieht die Sache
anders aus. Mit Ralph Brinkhaus und Paul Ziemiak an ihrer Seite will
AKK die CDU wieder auf Diskursfähigkeit trimmen. Die Beschlüsse des
Werkstattgesprächs jedenfalls lesen sich wie eine Anleitung zum
Regierungshandeln. Und eine Fortsetzung soll folgen. Auch wenn
manche Idee am Koalitionspartner SPD scheitern dürfte, will die CDU
so ihre Führungsrolle untermauern. Zugleich zeigt die Parteispitze
Lernfähigkeit: eine wichtige Voraussetzung, um die eigene Basis zu
versöhnen und Wähler zurückgewinnen zu können. Und nebenbei hat sich
AKK wieder ein Stück mehr von Angela Merkel emanzipiert, ohne die
Kanzlerin zu brüskieren. Eine Kunst, die nötig ist, wenn eines Tages
der vollständige Machtübergang gelingen soll.
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Datum: 11.02.2019 - 21:30 Uhr
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