BERLINER MORGENPOST: Politik mit der Brechstange / Kommentar von Gilbert Schomaker zur Begegnungszone in Kreuzberg
(ots) - Es ist einer dieser Verkehrsversuche, denen die
Berliner immer wieder ausgesetzt werden. In der Kreuzberger
Bergmannstraße ließ das Grünen-geführte Bezirksamt mit Unterstützung
durch die Verkehrssenatorin eine Begegnungszone errichten. Die
Bürgersteige wurden für knapp 120.000 Euro an einigen Stellen mit
Bänken und Tischen versehen. Zulasten des Autoverkehrs wurden sie in
die Straße hineingebaut. Alles sollte über eine Testphase bis zum
November dieses Jahres erprobt werden. Doch schnell regte sich der
Protest. Einerseits waren Anwohner über den Lärm und den Müll rund um
die neuen Bänke verärgert. Andererseits droht dem beliebten
Bergmannstraßenfest das Aus, weil die Straßenmöbel und
Fahrradvorrichtungen zu viel Platz wegnehmen. Die Mehrheit in der
Bezirksverordnetenversammlung - nämlich alle Parteien bis auf die
Grünen - will nun den Versuch beenden. Vorzeitig. Schon Ende Juli,
auch um das Straßenfest zu retten. Doch Baustadtrat Florian Schmidt
(Grüne) will nun erst einmal prüfen, ob der Test abgebrochen werden
kann. Insgeheim will er nämlich den Erfolg des Projekts - auf Biegen
und Brechen. Das ist schon erstaunlich: Jetzt droht, dass
ausgerechnet die Grünen demokratische Grundregeln brechen und einen
Parlamentsbeschluss missachten. Sollte das geschehen, würde
Ökopolitik mit der Brechstange durchgesetzt. Entgegen allen
demokratischen Gepflogenheiten. Das klingt nach oberlehrerhafter
Zwangsbeglückung der Regierten. Wer eine Verkehrswende will, muss
dafür um Zustimmung werben, muss mit den Bürgern Ideen entwickeln,
wie die Verkehrsströme besser gelenkt werden können. Dabei darf auch
Neues ausprobiert werden. Wenn Versuche erfolgreich sind, kann man
sie ausweiten. Aber wenn Versuche scheitern, sollten Politiker auch
die Größe haben, das schnell einzuräumen, und sie beenden. Alles
andere führt zu weiterem Politikverdruss der Berliner.
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Datum: 31.01.2019 - 21:00 Uhr
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