Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Eine Mauer, die Trump stoppt" von Thomas Spang
(ots) - Die Bildsprache im Rosengarten entlarvt den
selbst ernannten Meister der Verhandlungskunst als Scharlatan. Mit
grimmiger Miene verkündet der Präsident dort bei eiskalten
Temperaturen das vorläufige Ende der längsten Haushaltssperre in der
Geschichte der USA. Vorzuzeigen hat Trump dafür nicht einen Meter
seiner "großen schönen Mauer", die er seinen Anhängern im Wahlkampf
versprochen hat. Nicht einmal die Verhandlungen im Kongress über
einen Haushaltskompromiss, die er für die nächsten drei Wochen
ankündigt, kann er als Erfolg verkaufen. Diese hätte er schon vor 35
Tage von den Demokraten haben können - ohne die Regierung dafür nur
einen Tag stilllegen zu müssen. Tatsächlich verkündete der Präsident
im Rosengarten die Kapitulation vor Nancy Pelosi, die ihn mit seinen
eigenen Waffen geschlagen hat. Sie war es, die erfolgreich eine Mauer
errichtete, die nicht Flüchtlinge, sondern den völlig außer Kontrolle
geratenen Trump stoppte. Die Speakerin bewegte sich keinen Zentimeter
auf ihn zu, weil sie um die Grenzen seiner Erpressungstaktik wusste.
Die gestrichenen Flüge auf Amerikas Flughäfen oder tausende
Krankmeldungen bei der Steuerbehörde IRS waren bloß die Vorboten des
Chaos, das nicht mehr nur die 800 000 unbezahlt in den Zwangsurlaub
geschickten Regierungsangestellten traf, sondern zunehmend auch den
Rest der Amerikaner. Trumps ohnehin schon niedrige Zustimmungswerte
rutschten weiter in den Keller. Am Tag der Kapitulation gaben sechs
von zehn US-Bürgern ihm die Schuld für die verfahrene Situation. Die
"Bau die Mauer"-Schlachtrufe seiner Rotkappen hatten dem Präsidenten
den Sinn für die Realität getrübt. Die Amerikaner lehnen den
kostspieligen Grenzwall ab, der nicht viel mehr als das nutzlose
Symbol einer nativistischen Politik ist, die versucht, die Verheißung
der Freiheitsstatue zu unterminieren. Sie durchblickten die "Fake
News" Trumps einer angeblichen "humanitären Krise" an der Grenze.
Tatsächlich geht die Zahl der illegalen Grenzübertritte seit Jahren
massiv zurück. Und Drogen kommen nicht über die grüne Grenze, sondern
zu mehr als 90 Prozent durch die offiziellen Übergänge ins Land. Je
näher die Amerikaner an der Grenze leben, desto weniger beliebt ist
die Mauer. Was erklärt, warum auch republikanische Abgeordneten aus
Wahlkreisen nahe der Südgrenze diese nicht wollen. Die Alternative
des Präsidenten, sich aus dem selbst verursachten Schlamassel zu
befreien, wäre die Ausrufung eines "Notstands" gewesen. Da es diesen
nur in der Fantasie seiner Anhänger gibt, wäre ein solcher Schritt
zwangsläufig von den Gerichten gestoppt worden. Allein der
Instanzenweg hätte garantiert, dass bis zum Wahltag weder eine Mauer
noch neue Stahlbarrieren errichtet würden. Trump steht nach der
Kapitulation nun vor einem doppelten Problem. Ausgerechnet eine Frau
hat ihm die bisher demütigendste Niederlage seiner Amtszeit
beigefügt. Die eiserne Nancy zeigte der ganzen Welt, dass der Kaiser
nackt ist. Die Speakerin erwies sich als Gegenspielerin, die
versteht, ihre Macht effektiv zu gebrauchen. Clever demonstrierte sie
diese, indem sie Trump auslud, vor dem Kongress zur Lage der Nation
zu sprechen. Trump musste schmerzhaft lernen, dass er so viel drohen
und wüten kann, wie er will. Ohne echte Bereitschaft, zu verhandeln,
bekommt er für die Grenzsicherheit nicht einen Cent. Denn nach dem
amerikanischen Regierungssystem liegt die Budget-Hoheit nicht im
Weißen Haus, sondern im Kongress. Trump hat sein Pulver verschossen.
Einen neuen "Shutdown" wird er kaum wagen. Und wenn er aus
politischer Verzweiflung einen "Notstand" ausruft, zementiert er, was
jetzt schon klar ist. Trump wird seine Mauer in dieser Amtszeit nicht
bekommen.
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