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Klares Votum für Pilotprojekt ETCS und mehr S-Bahn-Fahrzeuge

ID: 1689977


(ots) - Der Verkehrsausschuss des Verbands Region
Stuttgart hat sich heute (23.01.) einstimmig für ein umfassendes
Maßnahmenpaket für mehr und zuverlässigeren S-Bahn-Verkehr im
Schienenknoten Stuttgarts positioniert. Er befürwortet die Einführung
des europaweit standardisierten Zugbeeinflussungssytems ETCS
(European Train Control System) Level 2 in Verbindung mit digitaler
Stellwerkstechnik (DSTW) und einer Teilautomatisierung des Betriebs
Ende 2025 als bundesweites Pilotprojekt. Diese Technik ermöglicht
mehr Pünktlichkeit der S-Bahnen, birgt aber auch Chancen für mehr
S-Bahn-Fahrten auf der bestehenden Infrastruktur und damit, den
verkehrlichen Herausforderungen in der Region Stuttgart zu begegnen.
Dazu gehören eine vollständige Langzugbildung in der
Hauptverkehrszeit sowie weitere Angebotsverbesserungen, wofür 58
zusätzliche S-Bahn-Fahrzeuge angeschafft werden sollen. Zur Umsetzung
ist es erforderlich, den Vertrag mit der DB Regio AG über den Betrieb
der S-Bahn anzupassen und um vier Jahre bis Juni 2032 zu verlängern.
In diesen Punkten waren sich alle Fraktionen einig. Den Beschluss
darüber fällt die Regionalversammlung am 30. Januar.

Der regionale Verkehrsdirektor Dr. Jürgen Wurmthaler, führte aus:
"Mit ETCS eröffnen sich neue Perspektiven. Denn wir brauchen eine
Antwort auf eine eigentlich sehr positive Situation: Die
Fahrgastzahlen bei der S-Bahn haben bereits 2017 mit werktäglich
420.000 Fahrgästen alle Prognosen übertroffen." Mehr Fahrgäste heißt
auch mehr Zeit für Ein- und Ausstiege und ein über Jahre stetig
gewachsenes ÖPNV-Angebot führt zu einer dichteren Zugbelegung,
insbesondere auf der Stammstrecke. Das führt schon heute immer wieder
zu Verspätungen, die sich oft auf das gesamte System übertragen. Dr.
Wurmthaler weiter: "Mit der VVS-Tarifzonenreform, den Fahrverboten




zur Luftreinhaltung und der Förderung von P+R-Plätze entlang der
S-Bahn erwarten wir noch mehr Fahrgäste. Daher sind höhere
Kapazitäten bei der S-Bahn vonnöten." Diese sollen zur Entlastung
beitragen und neue Fahrgäste auch in den Hauptverkehrszeiten
aufnehmen können.

ETCS/ATO für mehr Zuverlässigkeit und Kapazitäten

Um zusätzliche Kapazitäten zu schaffen und den Betriebsablauf zu
stabilisieren, wurden verschiedene Möglichkeiten untersucht: Der Bau
einer zweiten Stammstrecke ist nicht realistisch und auch die
Nachrüstung von Außenbahnsteigen für einen beschleunigten
Fahrgastwechsel ist nicht möglich. Das ergab eine Studie aus dem Jahr
2017. Dagegen wies die Machbarkeitsstudie zur möglichen Einführung
von ETCS, welche von Land, DB Netz und Verband Region Stuttgart
beauftragt wurde, nun nach, dass mit dem europaweit standardisierten
Zugbeeinflussungssytem (ETCS Level 2) in Kombination mit Digitalen
Stellwerken (DSTW) und einem teilautomatisierten Fahren (Automatic
Train Operation Grade of Automation 2, ATO GoA 2) spürbare
Kapazitätsreserven im Kernnetz der Region Stuttgart geschaffen werden
können. Bei diesem teilautomatisierten Fahren werden Brems- und
Beschleunigungsvorgänge automatisiert, der Triebfahrzeugführer ist
aber nach wie vor an Bord und kann bei Bedarf jederzeit eingreifen.
Die neue Technik ermöglicht eine kürzere Zugfolge, was vor allem auf
der Stammstrecke und deren Zuläufe für Entlastung sorgen kann. Mit
Leistungssteigerungen um rund 20 Prozent birgt sie aber auch Chancen
auf zusätzliche Fahrten auf der bestehenden Infrastruktur. Bei
entsprechendem Ausbau der Zulaufstrecken könnten mit der neuen
Technik zukünftig auf der Stammstrecke sogar noch mehr Züge
verkehren.

Da im Zuge der Arbeiten zu S 21 im Rahmen der Verlängerung der
S-Bahn Stammstrecke bis zur Mittnachtstraße ohnehin eine Erneuerung
der Leit- und Sicherungstechnik ansteht, ergibt sich nun durch die
auf 2025 verschobene Inbetriebnahme die einmalige Chance, den Zulauf
von Bad Cannstatt und Nordbahnhof zur Mittnachtstraße und weiter in
die Stammstrecke bis zur Schwabstraße auf die neue Leit- und
Sicherungstechnologie umzustellen. Im diesem Zuge sollen, wie in der
Machbarkeitsstudie empfohlen, auch die Strecken bis Vaihingen und von
dort weiter zum Flughafen oder weiter Richtung Böblingen ausgerüstet
werden. Bliebe die Entscheidung jetzt aus, würde die herkömmliche
Signaltechnik verbaut und die Chance wäre etwa über die nächsten 20
Jahre vertan. Zudem drängt die Zeit, damit die Vorbereitungen und die
Erprobung der neuen Signaltechnik bis zur Inbetriebnahme von S21
abgeschlossen sein können. Um die neue Technik nutzen zu können,
müssen alle S-Bahn-Züge entsprechend umgerüstet werden. Dazu wird der
Einbau von Anzeigegeräten (On-board-units) und Steuerungstechnik in
die Fahrzeuge erforderlich.

In Deutschland ist ETCS Level 2 in Kombination mit ATO bisher noch
nicht im Nahverkehr eingesetzt worden und hat deshalb auch noch kein
Zulassungsverfahren durchlaufen. Die Umsetzung ist damit zu
wesentlichen Teilen Entwicklungsarbeit, welche dann in einem Team von
DB Netz, der S-Bahn als Verkehrsunternehmen und dem
Eisenbahnbundesamt geleistet wird.

Mehr S-Bahn-Fahrzeuge für erweitertes Verkehrsangebot

Um die Chancen auf ein deutlich erweitertes Verkehrsangebot mit
ETCS/ATO GoA 2 zu realisieren und für mehr Pünktlichkeit im
S-Bahn-Verkehr zu sorgen, ist die Bestellung von 58 zusätzlichen
S-Bahn-Fahrzeuge des Typs ET 430 erforderlich. Damit können folgende
Maßnahmen umgesetzt werden:

- Vollständige Langzugbildung in der Hauptverkehrszeit

- Mit einem entsprechenden Ausbau des Tunnels zwischen
Schwabstraße und Stuttgart-Vaihingen könnten vier weitere Züge in der
Stunde den Gleisabschnitt befahren. Züge der Linie S4, S5 oder S6
könnten dann auch über die Schwabstraße hinaus bis nach
Stuttgart-Vaihingen fahren.

- Stündlich zwei dieser zusätzlich bis Vaihingen verkehrenden Züge
könnten zukünftig sogar bis nach Böblingen fahren.

- Auf der S-Bahn-Linie S6 sollen von Weil der Stadt und Feuerbach
zusätzlich halbstündlich verkehrende Verstärkerzüge der S-Bahn aufs
Gleis gesetzt werden. In Feuerbach sind hierfür noch entsprechende
Umbauarbeiten am Bahnsteig bei Gleis 130 und an der Zuführung
erforderlich.

- Auch auf den Außenlinien der S60, zwischen Plochingen und
Kirchheim/Teck (oder alternierend nach Nürtingen) sowie Vaihingen
über den Flughafen weiter bis Neuhausen könnte die S-Bahn zukünftig
im 15-Minuten-Takts fahren.

Beteiligung von Bund, Land und Bahn

Als Bestandteil des Programms "Digitale Schiene Deutschlands" von
Bund und Bahn soll die Umrüstung von Infrastruktur und Fahrzeugen
erfolgen. Stuttgart ist dabei Pilotprojekt. Der Ausbau erfolgt in
drei Ausbaustufen. Nach der letzten Stufe soll die neue Technik im
gesamte S-Bahn-Netz einsetzbar sein.

Die haushaltsrechtlichen Vorbereitungen für ein Förderprogramm auf
Bundesebene sind angelaufen und eine entsprechende Absichtserklärung
sei nach Auskunft des Bundes auf dem Weg, dass das Stuttgarter
Pilotvorhaben in das Förderprogramm aufgenommen werden kann. DB Netz
hat die Umsetzung der Maßnahmen zugesichert, wenn sie finanziert
sind.

Das Landeskabinett Baden-Württemberg hat gestern seine
Bereitschaft zur Beteiligung an dem Pilotprojekt zur elektronischen
Zugsteuerung und eine Angebots- und Qualitätsinitiative für einen
attraktiveren Bahnverkehr - insbesondere bei der S-Bahn -
beschlossen. Zusätzlich zu seinen eigenen Maßnahmen zur
Luftreinhaltung fördert das Land unter anderem die Anschaffung von 47
S-Bahn-Fahrzeugen aus Mitteln des
Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) mit rund 106
Millionen Euro. Diese Fahrzeuge sollen in Stuttgart und den
Zulaufstrecken für mehr Beförderungskapazitäten sorgen. Zudem fördert
das Land den Betrieb für die Verkehrsverbesserungen durch die
S-Bahnen im Kernraum über eine Erhöhung der jährlichen
Regionalisierungsmittel um 0,8 Prozent auf 9,9 Prozent ab dem Jahr
2021. Der Einbau von ETCS/ATO GoA 2 und Investitionen in die
Infrastruktur, welche der Bund nicht übernimmt, werden ebenfalls
gefördert.

Im Zuge des Pilotprojekts sollen auch die Regionalzüge, die im
Stuttgarter Bahnknoten verkehren, nachgerüstet werden. So wird
gewährleistet, dass mit Inbetriebnahme von Stuttgart 21 der gesamte
neue Schienenknoten mit der neuen digitalen Technologie ausgestattet
ist und alle Züge die neue Technik nutzen können.

Eine Fördervoraussetzung seitens des Landes Baden-Württemberg ist,
dass sich der Verband Region Stuttgart mit 12,5 Millionen Euro an der
Großen Wendlinger Kurve beteiligt, sofern die Region Neckar-Alb den
gleichen Betrag zahlt. Mit dem zweigleisigen Ausbau der Wendlinger
Kurve kann die Grundlage eines möglichen Ringschlusses von den
Fildern ins Neckartal gelegt werden, auf dem die S-Bahn ganz oder
teilweise fährt.

Verlängerung des Verkehrsvertrags, Beteiligung der DB Regio

Für die Phase der Erprobungs- und Zulassung der neuen Technologie
soll der Vertrag des Verbands Region Stuttgart mit der DB Regio über
den Betrieb der S-Bahn bis Juni 2032 verlängert und auf das
erweiterte Angebot angepasst werden. Nur so kann der zukünftige
Betrieb mit ETCS/ATO GoA 2 Eingang finden in ein neues
Wettbewerbsverfahren um den S-Bahn-Verkehr ohne Benachteiligungen
anderer Betreiber. Die Neuvergabe des S-Bahn-Betriebs würde dann 2028
erfolgen, Betriebsaufnahme wäre 2032. Die wichtigsten Eckpunkte der
Vertragsverlängerung sind die Erhöhung der Betriebsleistung um
jährlich bis zu 1 Million Zugkilometer bei entsprechenden
Gremienbeschlüssen sowie die Beschaffung von 58 Neufahrzeugen des
Typs ET 430. Davon werden 56 Fahrzeuge von der Region finanziert, 2
Fahrzeuge von der DB Regio, diese können deshalb auch für Verkehre
außerhalb der Region eingesetzt werden. Die DB Regio rüstet alle 215
S-Bahn-Fahrzeuge mit ETCS/ATO GoA 2 aus und übernimmt dafür einen
Kostenanteil. Ebenso zahlt sie für ein Redesign von Fahrzeugen.

Regionalpolitik: Chance ergreifen

Rainer Ganske (CDU) hält es für "richtig, wichtig und zwingend
notwendig, in die neue Technologie einzusteigen." Damit werde der
Grundstein gelegt für weitere Entwicklungen. Im Hinblick auf den
anstehenden Beschluss der Regionalversammlung sagte er: "Der Verband
Region Stuttgart muss vorangehen. Wir erwarten aber von den anderen
Partnern, dass sie ihre Absichtserklärungen einhalten." Es sei ein
"historischer Schritt für den weiteren Ausbau der S-Bahn." Eva
Mannhardt (Bündnis 90/Die Grünen) sagte: "Ich bin froh, dass die Zeit
des Fingerzeigens auf Andere vorbei ist, und wir aus der
Defensivhaltung herauskommen. Wir reden seit Jahren über ETCS und
haben jetzt diese einmalige Chance, die Umsetzung zu beschließen,
auch wenn dann noch lange nicht alles in trockenen Tüchern sein wird.
Am Ende müssen wir das Risiko dagegen abwägen, gar nichts zu tun, da
sich ansonsten das Zeitfenster schließt." Harald Raß (SPD) begrüßte
die Vorhaben: "Wir wollen Schritt für Schritt an der Verkehrswende
arbeiten" Ein großer Schritt sei die Tarifzonenreform, ein weiterer
wäre die Einführung von ETCS. Eine Verkehrswende gehe langsam und mit
Hindernissen. Für Raß gehört dazu unter anderem aber auch umfassenden
Barrierefreiheit. Bernhard Maier (Freie Wähler) sagte: "Wir stehen
bei der Verkehrsentwicklung an der Wand, sei es auf der Straße oder
beim öffentlichen Nahverkehr. Die S-Bahn befindet sich am Anschlag.
Deswegen ist es an der Zeit, eine S-Bahnoffensive in unserer
Verantwortung zu starten, in einer Dimension, die wir bisher noch
nicht gekannt haben. Es ist ein Verdienst der Verbandsspitze, dass
jetzt das Fenster für uns offen ist, mehr Qualität und Quantität auf
die S-Bahn zu bringen." Im Hinblick auf die Pünktlichkeit sagte
Wolfgang Hoepfner (Die Linke), die S-Bahn als "Rückgrat des ÖPNV" sei
in "erschreckendem Zustand". Es gebe nur die eine Lösung, "jetzt die
Weichen zu stellen für eine leistungsfähige, attraktive S-Bahn in der
Zukunft." Armin Serwani (FDP) sprach vom einem "Meilenstein im ÖPNV",
der eine Angebotsverbesserung darstelle, die ihresgleichen sucht.
"Wir brauchen einen funktionierenden Nahverkehr. Seien wir mutig und
beschreiten diesen weitreichenden Weg für die Zukunft unseres
Nahverkehrs", schloss Serwani. Dr. Burghard Korneffel (Innovative
Politik) sieht erst eine Technologie mit komplett fahrerlosem Fahren
als einen "echten Fortschritt".



Pressekontakt:
i.V. Uta Hörmann
Referentin für Grundsatz und Öffentlichkeitsarbeit
Verband Region Stuttgart
Kronenstraße 25
70174 Stuttgart
Tel.: +49 711 22759-15

Original-Content von: Verband Region Stuttgart, übermittelt durch news aktuell


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Datum: 24.01.2019 - 06:41 Uhr
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