Bundesregierung muss Potenzial von Agrarökologie nutzen / Zivilgesellschaftliche Organisationen präsentieren Forderungskatalog
(ots) - Armut, Hunger, Artensterben,
Bodenzerstörung, Klimakrise - hunderte Millionen von bäuerlichen
ErzeugerInnen sind davon betroffen. Die industrielle Landwirtschaft
bedroht nachweislich die Existenz (klein-)bäuerlicher ErzeugerInnen
und gefährdet die natürlichen Lebensgrundlagen hierzulande und im
globalen Süden. In einem heute veröffentlichten Positionspapier
fordern 56 zivilgesellschaftliche Organisationen die Bundesregierung
auf, Agrarökologie zum zentralen Förderkonzept zur Armutsbekämpfung
und zur Anpassung an die Klimakrise zu machen und sie als Grundlage
für eine Reform der EU-Agrarpolitik zu nutzen. Das Konzept ist
wissenschaftlich fundiert, in der Praxis hinlänglich erprobt und
ganzheitlich im Ansatz.
Zehn Jahre nach dem Erscheinen des Weltagrarberichts setzt sich
die Erkenntnis durch, dass eine Ertragssteigerung um jeden Preis
keine Lösung für Armut, Hunger und Umweltzerstörung ist. Mit der
Agrarökologie gibt es ein wirksames Gegenmodell. Das Konzept basiert
auf ökologischen Prinzipien, dem politischen Ansatz der
Ernährungssouveränität und dem Recht auf angemessene Nahrung. "Die
Förderung der Agrarökologie zahlt sich dreifach aus: Sie verbessert
die Lebenssituation von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, mindert die
Folgen der Klimakrise und schützt die natürlichen Lebensgrundlagen",
erklärt Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale. Die Bundesregierung
sollte bis 2021 300 Millionen Euro zur Förderung der Agrarökologie
national und international zur Verfügung stellen, davon 200 Millionen
Euro für die "Scaling up Agroecology-Initiative" der FAO und 100
Millionen Euro für ein Förderprogramm "Agrarökologie und Frauen".
Auch die Landwirtschaft in Deutschland und Europa würde davon
profitieren. "Agrarökologie kann bäuerliche Landwirtschaft
wirtschaftlich stärken und Perspektiven auch für den ländlichem Raum
insgesamt verbessern", erklärt Reiko Wöllert, Mitglied im
Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
(AbL). "Agrarökologie mit einer verbesserten Wertschöpfung für die
Betriebe zu verbinden ist daher wichtig, um Arbeitsplätze im
ländlichen Raum zu schaffen und das Höfesterben zu beenden. Die
Bundesregierung sollte sich bei der Reform der EU-Agrarpolitik dafür
einsetzen, dass die Weichen in diese Richtung gestellt werden.
Wirtschaftskreisläufe, Regionalunternehmen und lokale
Vermarktungsnetzwerke von Bauern und Bäuerinnen sollten besonders
gestärkt werden", sagt Wöllert.
Das Konzept der Agrarökologie baut auf den Prinzipien des
ökologischen Landbaus auf. Dazu zählen der Erhalt der
Bodenfruchtbarkeit, der Kreislauf von Boden-Pflanze-Tier und Mensch
sowie der Verzicht auf Mineraldünger und Pestizide. "Agrarökologie
fördert die Vielfalt unter und über der Erde", erklärt Katrin Wenz,
Agrarexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz. Biodiversität
werde über mehrgliedrige Fruchtfolgen, Zwischenfrüchte und Mischanbau
systematisch ins Anbausystem integriert. "Wer Vielfalt erhalten will,
darf also nicht weiter auf die Intensivierung der Landwirtschaft
setzen, sondern muss Anbausysteme fördern, die Ressourcen sparen und
die Biodiversität schützen", so Wenz.
Auch angesichts der Herausforderungen der weltweiten
Klimakatastrophe ist ein Umdenken hin zur Agrarökologie dringend
nötig. Diversifizierte Anbausysteme machen Bauern und Bäuerinnen
krisensicherer gegenüber Wetterextremen. "Böden speichern in
Dürrezeiten besser Wasser und nehmen bei Starkregen Wasser leichter
auf. Pflanzen können tiefer wurzeln. Der Schädlings- und
Krankheitsdruck nimmt ab", so Jan Urhahn, Landwirtschaftsexperte bei
der Entwicklungsorganisation INKOTA. Die Bundesregierung sollte sich
dafür einsetzen, dass die positiven Wirkungen der Agrarökologie in
den Politikempfehlungen des Arbeitsprogramms der
UN-Klimarahmenkonvention für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit
besondere Beachtung finden. "Um der Agrarökologie zum Durchbruch zu
verhelfen, muss die Bundesregierung schädliche Programme
schnellstmöglich beenden. Daher muss sie aus der Allianz für eine
Grüne Revolution in Afrika aussteigen", fordert Urhahn. Die
Initiative nütze vor allem den großen Agrarkonzernen und stehe der
Agrarökologie diametral entgegen.
Veranstaltungshinweis: Zum Thema Agrarökologie findet heute um
15:30 Uhr in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin die
Diskussionsveranstaltung "Agrarökologie stärken! Für eine
zukunftsgerichtete Politik und Praxis" statt. Unter anderem mit Abram
Bicksler, Landwirtschaftsreferent, Abteilung Anbau und
Pflanzenschutz, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der
Vereinten Nationen (FAO) und mit Dr. Stefan Schmitz, Beauftragter für
die Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger, Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Pressekontakt:
Jan Urhahn, INKOTA-netzwerk, Mobil: +49 (0) 176 70 61 03 81,
E-Mail: urhahn(at)inkota.de
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Datum: 18.01.2019 - 07:30 Uhr
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