BERLINER MORGENPOST: Ein Warnschuss / Leitartikel von Christian Unger zum Datendiebstahl
(ots) - Kurzform: Niemand ist Cyberkriminellen hilflos
ausgeliefert. Aber ein Facebook-Account ist vor Einbrüchen weniger
geschützt als das eigene Wohnzimmer. Wichtige Programme auf den
Computer lassen sich heute häufig nicht nur per Passwort schützen,
sondern etwa zusätzlich per SMS-Code auf das Handy. Verschlüsselte
Chatprogramme wie Threema oder Signal sind gute Alternativen zu
WhatsApp. Diese Werkzeuge müssen Nutzer in ihren digitalen Alltag
integrieren. Zugleich sind Anbieter von IT-Technik und Software in
der Pflicht, ihren Kunden mehr anzubieten als den Schutz mit sechs
Buchstaben und "mindestens einer Zahl". Der beste Schutz vor
Datenmissbrauch ist allerdings vor allem einer: Verbreiten Sie so
wenige Daten wie möglich - und nur so viele wie nötig.
Der vollständige Leitartikel: Wir haben ziemliches Glück gehabt.
Diesmal. Der Warnschuss kam aus einem Kinderzimmer. Nicht
professionelle Hackergruppen, nicht organisierte Kriminelle klauten,
kauften, sammelten und veröffentlichten Daten von fast 1000
Politikern und Prominenten, sondern ein 20 Jahre junger Mann, der
noch bei den Eltern lebt, viel Zeit hat und ein wenig Geschick. Ein
"Skriptkiddie", so nennt die Hacker-Szene diese Heranwachsenden. Er
machte es den Ermittlern leicht - brachte seinen Computer, den er vor
dem Zugriff der Polizei entsorgen wollte, zum Wertstoffhof.
Sondermüll: Elektro. Ermittler mussten den Computer nur aus dem
Container fischen. Was wir in diesen ersten Tagen 2019 erlebt haben,
war kein riesiger "Hackerangriff", kein Cyber-Super-GAU - die Anzahl
der Daten, die vor allem über Twitter veröffentlicht wurden, waren
gering im Vergleich zum Alltag der Cyberkriminalität. Im Sommer
meldete die Airline British Airways: Hacker erbeuten Daten von
380.000 Kunden, die mit Kreditkarte zahlten. Beim
Fahrdienst-Vermittler Uber sollen Kriminelle 2016 fast 60 Millionen
Kundendaten gestohlen haben. Im vergangenen November hackten sich
Cyberkriminelle in die IT der Hotelkette Marriott - und hatten
Zugriff auf Daten von bis zu 500 Millionen Gästen. Das zeigt die
Dimensionen, die Cyberkriminalität angenommen hat. Manche sagen
sogar, es sei diesmal ein Skandal aufgebauscht worden, nur weil
Politiker betroffen waren - und nicht Frau Müller oder Herr Yilmaz
aus Berlin-Treptow. Und doch: Der Datenklau des 20-Jährigen war alles
andere als harmlos. Erstens, noch prüfen Ermittler, ob der Mann
politisch motiviert war. Folgt der Täter einer rechtsextremen
Ideologie - und lockt er so Nachahmer der Szene zu weiteren Taten
gegen politische Gegner? Zweitens, Abgeordnete sind besonders
schützenswert. Sie zählen in einer Demokratie zur "kritischen
Infrastruktur" wie ein Krankenhaus im Gesundheitssystem. Doch der
Schutz dieser Politiker hat nicht funktioniert. Die
Sicherheitsbehörden haben aus den Anzeigen von mindestens acht
Abgeordneten den koordinierten Datenklau nicht erkennen können und
gingen von Einzelfällen aus - bis der Täter längst massenhaft private
Chatprotokolle, Handynummern und E-Mailadressen in die Welt gesetzt
hatte. Hier müssen Polizei und Cyberabwehrbehörden Strategien
entwickeln: mehr beraten, sich untereinander besser vernetzen, mehr
Experten anheuern. Drittens, der Datenklau offenbarte, wie nachlässig
jeder Einzelne von uns mit dem Schutz eines hohen Guts umgeht:
unserer private Kommunikation. Stellen Sie sich vor, jeder zweite
EC-Karten-Besitzer bekäme das Passwort "1234" - niemand würde das
hinnehmen. Zu Recht. Niemand ist Cyberkriminellen hilflos
ausgeliefert. Aber ein Facebook-Account ist vor Einbrüchen weniger
geschützt als das eigene Wohnzimmer. Wichtige Programme auf den
Computer lassen sich heute häufig nicht nur per Passwort schützen,
sondern etwa zusätzlich per SMS-Code auf das Handy. Verschlüsselte
Chatprogramme wie Threema oder Signal sind gute Alternativen zu
WhatsApp. Diese Werkzeuge müssen Nutzer in ihren digitalen Alltag
integrieren. Zugleich sind Anbieter von IT-Technik und Software in
der Pflicht, ihren Kunden mehr anzubieten als den Schutz mit sechs
Buchstaben und "mindestens einer Zahl". Der beste Schutz vor
Datenmissbrauch ist allerdings vor allem einer: Verbreiten Sie so
wenige Daten wie möglich - und nur so viele wie nötig.
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Datum: 12.01.2019 - 21:25 Uhr
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