Westfalen-Blatt: das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Angela Merkels Griechenlandbesuch
(ots) - Das Ende ihrer Kanzlerschaft vor Augen, agiert
Angela Merkel wie befreit. Auch bei ihrem Besuch in Griechenland. Auf
die Haltung der CDU-Schwesterpartei Nea Dimokratia (ND) zur
Mazedonien-Frage nimmt sie keine Rücksicht. Dass der ND-Chef und
wahrscheinlich nächste Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis im
Namensstreit eine harte Position vertritt, hat auf ihre Strategie
keinen Einfluss.
Merkel denkt nicht kurzfristig an ein gutes Ergebnis der
griechischen Christdemokraten bei der Europawahl, damit die Fraktion
der Europäischen Volksparteien (EVP) möglichst viele Sitze bekommt
und ihren Spitzenkandidaten Manfred Weber als nächsten
EU-Kommissionspräsidenten durchsetzen kann.
Merkel setzt auf geopolitische Weitsicht, und das ist in diesem
Fall aus europäischer Sicht klug. Mazedonien sollte so zügig wie
möglich Mitglied der Nato und näher an die EU geführt werden. Denn
Russland und die Türkei warten nicht auf Athen und Brüssel, um ihren
für sich beanspruchten Machtbereich auszudehnen. Und dazu gehören
auch die Staaten auf dem Westbalkan.
Dass Regierungschef Alexis Tsipras den Namensstreit, der seit
Jahrzehnten schwelt, beilegen will, könnte ihn das Amt kosten. Weil
sein Koalitionspartner, die rechtspopulistische Partei Anexartiti
Ellines (Anel, »Unabhängige Griechen«), die Umbenennung Mazedoniens
in Nord-Mazedonien ablehnt und die Regierung platzen lassen könnte.
Und weil die Griechen, die mehrheitlich gegen die Anerkennung
Nord-Mazedoniens sind, dann bei Neuwahlen ein neues Parlament
bestimmen, aus dem Tsipras mit ziemlicher Sicherheit nicht als
Premier hervorgehen dürfte. Seine linkspopulistische Syriza-Partei
liegt bei 23 Prozent, etwa zehn Punkte hinter der ND.
Was also verspricht sich Tsipras von seiner Taktik? Die Antwort
findet man in Brüssel und Berlin. Griechenland ist finanziell alles
andere als gerettet. Der Staat bekommt an den Kapitalmärkten kein
Geld und könnte sehr bald auf ein weiteres Rettungsprogramm
angewiesen sein - das dann nicht so heißen darf.
Hinter Tsipras'' Mazedonien-Kurs stecken zwei Absichten: schnelle
Lösungen für kommende Haushaltsprobleme und Zustimmung dafür, dass er
im Wahljahr mehr ausgibt aus vorgesehen. Schon vor Weihnachten zahlte
der Staat an Familien bis zu 1300 Euro »Sozialdividende« aus. Und die
geplante Rentenkürzung wird ausgesetzt. Damit will sich Tsipras an
der Macht halten.
Ob der Preis, den die EU zahlt, zu hoch ist, könnte sich schon
Dienstag zeigen. Bis dahin muss das Parlament in Skopje abstimmen, ob
es künftig Mazedonien oder Nord-Mazedonien vertritt.
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Datum: 11.01.2019 - 21:00 Uhr
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