Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur SPD: Die SPD sucht ihr Profil von Reinhard Zweigler
(ots) - Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch
Pech dazu. Auf die SPD trifft dieses Bonmot eines Fußballtrainers
gleich in mehrfacher Hinsicht zu. Eher widerwillig stiegen sie vor
einem Jahr in eine erneute GroKo mit der ungeliebten Union ein. Doch
das Mitregieren in Berlin "aus Staatsräson" zahlt sich für die Partei
nicht aus. Zwar haben die SPD-Minister im Kabinett einiges
vorzuweisen, allen voran die frische Gute-Kita-Ministerin Franziska
Giffey, der in der Partei noch einiges zuzutrauen ist. Doch aus dem
Tal der Tränen und der Wählerabwanderung kommt die Partei dennoch
nicht heraus. Diesen Zwiespalt halten viele in der SPD, die sich
wirklich abrackern, zwar für ungerecht, doch die Zustimmung von
Wählerinnen und Wählern zu einer Partei hängt weniger von der
Emsigkeit ab, mit der sie regiert, sondern mehr von der
Glaubwürdigkeit, von den Themen, vom Personal. In allen drei
Bereichen hapert es derzeit bei der SPD. Die jetzige Profilsuche
gestaltet sich äußerst schwierig. Die SPD passe nicht mehr in unsere
Zeit, lautete ein resignierender Befund nach der verheerenden
Landtagswahl in Bayern. Die ohnehin nicht erfolgsverwöhnten
Sozialdemokraten rutschten im Freistaat gar auf den fünften Rang ab.
Selbst die Rechtspopulisten der AfD bekamen mehr Stimmen als die
einstige Volkspartei. Mit einem vorgezogenen Landesparteitag versucht
die angeschlagene Bayern-SPD nun, die Konsequenzen aus dem
Wahldesaster vom 14. Oktober zu ziehen. Welche das sind, ist
allerdings völlig offen. Ein erneuter Austausch des
Führungspersonals, etwa der couragierten, doch letztlich glücklosen
Landeschefin Natascha Kohnen, wäre nur ein weiterer Beweis für die
Kopf- und Konzeptionslosigkeit der Partei. Die Lage ist, aus Sicht
der Sozialdemokraten und ihrer immer noch relativ großen Zahl von
Sympathisanten, schlimm. Aber noch schlimmer ist, dass keiner weiß,
wie die Partei aus dem Schlamassel herauskommen kann. Das gilt
genauso für die Bundespartei. Das als Retter in der Not angetretene
Spitzenteam Andrea Nahles und Olaf Scholz hat die hohen Erwartungen
bislang nicht erfüllt. Die Parteichefin und Nachfolgerin von
100-Prozent-Mann Martin Schulz kommt mit halbgaren Vorschlägen zur
Abschaffung beziehungsweise Abmilderung des Hartz-IV-Systems oder mit
einem unausgereiften Vorstoß zum Bürgergeld daher. Die Crux ist nur,
niemand weiß genau, wofür die SPD heute steht und wohin sie will.
Nahles scheint das selbst nicht zu wissen. Dass sie kürzlich den
Tiefpunkt der Partei für bereits überwunden erklärte, ist nichts
weiter als Pfeifen im dunklen Wald. Und Olaf Scholz eröffnete zur
Unzeit eine Debatte über den nächsten SPD-Kanzlerkandidaten. Auch
wenn er in einem Interview in eine Journalistenfalle getappt ist,
verbietet sich für eine Partei, die in Umfragen auf 14, 15 Prozent
abschmierte, jegliches Schwadronieren über Kanzlerkandidaten. Zumal
die innerparteilichen Gegner einer Kandidatur von Scholz postwendend
den Vorschlag einer Urwahl hinausposaunten. Sie taten dies, um nur ja
die Spitzenkandidatur des in der Partei nicht sonderlich beliebten
Finanzministers zu verhindern. Es bleibt das bittere Fazit, dass es
mit dem Spitzenteam Nahles/Scholz mit der SPD weiter abwärtsging.
Beim Blick auf Europawahl sowie auf gleich vier Landtags- und mehrere
Kommunalwahlen in diesem Jahr kann es einem um die SPD angst und
bange werden. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass im Falle
weiterer dramatischer Niederlagen der SPD die Berliner Koalition
zerbricht. Bei politischen Gegnern macht sich bereits Mitleid breit
ob des Niedergangs der Sozialdemokratie. Das ist freilich eine der
höchsten Formen von Demütigung. Mitleid gibt es umsonst, Neid muss
man sich erst verdienen. Es hilft alles nichts, die SPD muss sich
durch solide Sacharbeit im Interesse der Menschen erst wieder Ansehen
und Vertrauen erarbeiten - und zwar Stück für Stück und auf allen
Ebenen. Das mag furchtbar einfach klingen, ist aber verdammt schwer
zu machen.
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Datum: 10.01.2019 - 20:27 Uhr
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