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Doxing-Angriff auf Medien: Globaler Trend setzt sich in Deutschland fort

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(ots) - Nach dem sogenannten Hackerangriff beobachtet
Reporter ohne Grenzen (ROG) mit großer Sorge, dass Journalistinnen
und Journalisten nach diversen Vorfällen in anderen Ländern nun auch
in Deutschland mit solchen Angriffen konfrontiert sind. Beim
sogenannten Doxing werden persönliche Informationen veröffentlicht
mit dem Ziel, dem Ruf der Personen zu schaden. In vielen Fällen
handelt es sich um nichtstaatliche Akteure, die sich jedoch als
"Partisanen" politischer Gruppen verstehen und mit vergleichsweise
einfachen Methoden an persönliche Daten kommen. ROG geht davon aus,
dass diese Gefahr in Deutschland zunehmen wird. Journalistinnen und
Journalisten gefährdet dies in ihrer eigenen Sicherheit und in ihrer
Vertrauenswürdigkeit gegenüber Publikum und Quellen.

"Doxing von Journalistinnen und Journalisten ist kein
Kavaliersdelikt, sondern ein Angriff auf die Integrität und Freiheit
der Medien allgemein", kritisiert ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.
Er erinnert jedoch auch an die Verantwortung für die IT-Sicherheit
aller, die im Medienbereich arbeiten: "Der aktuelle ''Hack'' zeigt
eindrücklich, dass sich Medien gegen solche Partisanen mit einfachen
Mitteln schützen können. Wir appellieren an alle Journalistinnen und
Journalisten, diese Maßnahmen umgehend zu ergreifen, um die eigenen
Daten und die ihrer Kolleginnen und Kollegen zu schützen."

DATEN-DIEBSTAHL ENTHÜLLT INFORMATIONEN ZU DUTZENDEN JOURNALISTEN

Am Freitag (04.01.) war bekannt geworden, dass über einen
Twitter-Account namens _0rbit seit Anfang Dezember als eine Art
Adventskalender 24 Mal Links zu privaten Informationen von
Politikerinnen, Satirikern, Schauspielerinnen und Journalisten
veröffentlicht worden waren. Von einer breiteren Öffentlichkeit
bemerkt wurde dies jedoch erst in der vergangenen Woche, als diverse




Medien das Leak auswerteten und darüber berichteten. Betroffen waren
unter anderem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ARD, des ZDF und
des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots Funk.

Daniel Moßbrucker, ROG-Referent für Internetfreiheit und
Security-Trainer, hat den Datensatz umgehend analysiert und
festgestellt, dass es sich hier nicht wie medial anfangs kolportiert
um einen großen "Hack" von Medienunternehmen handelt, sondern eher um
den gezielten Dox von Journalistinnen und Journalisten und anderer
Personen, die im öffentlichen Leben stehen (http://ogy.de/nnqu). Es
ist der erste größere Dox deutscher Journalistinnen und Journalisten.
Damit ist ein Trend, mit dem sich Medienschaffende in anderen Ländern
der Welt bereits seit einiger Zeit konfrontiert sehen, auch in
Deutschland angekommen.

USA: DOXING-ANGRIFFE NACH STORY ÜBER RECHTE TWITTER-HETZERIN

Eine der größten Doxing-Attacken gegen Medien ereignete sich im
Juni 2018 in den USA gegen den Journalisten Luke O''Brien und andere
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Huffington Post. Auslöser war
eine Enthüllungsstory O''Briens, in der er die Person hinter dem
berüchtigten Twitter-Account (at)AmyMek identifizierte.
(http://ogy.de/5vd4). Der Account hatte damals über 230.000 Follower
und war bekannt für die Verbreitung rechter Hetze, kruder
Verschwörungstheorien und für die starke Unterstützung von
US-Präsident Donald Trump. Nach fünf Jahren der Anonymität schrieb
O''Brien nach aufwändiger Recherche, dass der Account von einer
45-Jährigen New Yorkerin namens Amy Jane Mekelburg betrieben werde.

Einer Analyse des US-amerikanischen Digital Forensic Research Lab
zufolge organisierte sich in sozialen Medien und auf Plattformen der
US-amerikanischen Rechten eine Bewegung hunderter Nutzerinnen und
Nutzer, welche den Artikel O''Briens selbst als Doxing ansahen. Er und
seine Kolleginnen und Kollegen der Huffington Post wurden in den
sozialen Netzwerken mit Hass überschüttet, gleichzeitig sammelte der
digitale Mob alle verfügbaren Informationen über die
Redaktionsmitglieder und stellte sie zu umfangreichen Listen mit
persönlichen Informationen wie Telefonnummern und Wohnadressen
zusammen. Häufig wurde außerdem dazu aufgerufen, die Informationen
für weitere Maßnahmen gegen die Journalistinnen und Journalisten zu
nutzen, etwa für Drohanrufe oder persönliche "Besuche"
(http://ogy.de/17bp).

BRASILIEN: BOLSONAROS RHETORIK GEGEN MEDIEN STACHELT DIGITALEN MOB
AN

Diverse Fälle von Doxing gegenüber Medien sind auch aus Brasilien
bekannt. Im Rahmen des Berliner Stipendienprogramms zur Stärkung von
Journalistinnen und Journalisten im Digitalen Raum hat Reporter ohne
Grenzen erst Ende vergangenen Jahres eine Reporterin des
Onlinemagazins VICE in digitaler Sicherheit geschult, nachdem sie in
ihrer Heimat durch ihre Berichterstattung Opfer von Doxing-Attacken
geworden war. Die Journalistin berichtete intensiv über illegale
Sexarbeit in ihrem Land und feministische Themen, was ihr schnell die
ungewollte Aufmerksamkeit rechter Trolle einbrachte. Sie bekannten
sich zwar offen zum rechtsextremistischen Präsidenten Jair Bolsonaro,
waren allen Analysen von Reporter ohne Grenzen zufolge aber in keiner
Weise direkt mit ihm oder dessen Partei verbunden. Sie fühlten sich
vielmehr von der harschen Rhetorik Bolsonaros gegen Medien
angestachelt und verstanden sich als Partisanen seiner Bewegung.
Nachdem die Journalistin zunächst mit Hasspostings überzogen wurde,
folgte ein Dox zu ihrer Person und ihrer Familie.
(http://ogy.de/5ibf)

Für Schlagzeilen sorgte in Brasilien zudem der Geschäftsmann
Luciano Hang, der nach kritischen Fragen zur möglichen
Wahlkampfunterstützung Bolsonaros die Mobilfunknummer des
Journalisten Ricardo Galhardo auf Twitter veröffentlichte. Der
Brasilianischen Vereinigung für investigativen Journalismus (ABRAJI)
zufolge sah sich Galhardo danach tagelang mit Anfeindungen über
WhatsApp und SMS konfrontiert (http://ogy.de/1yvr).

In einem großen Bericht hat Reporter ohne Grenzen im Sommer 2018
eine Reihe ähnlich gelagerter Fälle aus der ganzen Welt dokumentiert
und 25 Empfehlungen für den besseren Schutz von Journalistinnen und
Journalisten gegen Angriffe im Internet ausgesprochen
(http://ogy.de/lkdy).

DEUTSCHLAND: BEDROHUNG DURCH "PARTISANEN" VOM RECHTEN RAND ZU
ERWARTEN

Mit der Festnahme eines 20-jährigen Schülers aus Mittelhessen als
Tatverdächtigen für den Daten-Diebstahl scheint sich auch im
deutschen Fall zu bestätigen, dass hier keine ausländischen
Geheimdienste am Werk waren, sondern ein Einzeltäter. Auch die
Analyse des Datensatzes selbst spricht stark dafür, dass der
Angreifer technisch keine allzu versierten Möglichkeiten besaß.
Stattdessen investierte er enorm viel Zeit in die Suche nach privaten
Daten und deren Aufbereitung. Allerdings wurden teilweise auch
Accounts von Journalistinnen und Journalisten gehackt, worüber dann
etwa Adressbücher und Chatverläufe ausgewertet wurden.

Der Fall beweist, wie verwundbar Journalistinnen und Journalisten
selbst gegen vermeintlich harmlose Angreiferinnen und Angreifer sein
können, wenn sie Grundregeln der IT-Sicherheit nicht befolgen. ROG
empfiehlt allen, die im Medienbereich arbeiten, als Konsequenz aus
dem Vorfall die eigenen Sicherheitsstandards zu überprüfen.
Insbesondere sollten Journalistinnen und Journalisten ihre Passwörter
stärken, diese nicht mehrfach verwenden und die eigenen Accounts
stets mit einer sogenannten Zwei-Faktor-Authentifizierung sichern.
Dies gilt nicht nur für beruflich genutzte Profile, sondern auch für
private und die enger Angehöriger wie Familienmitglieder und
Bekannte.

WARNUNG VOR ÜBERZOGENER BERICHTERSTATTUNG UND FALSCHEN POLITISCHEN
SCHLÜSSEN

Ferner dürfte die große mediale Aufmerksamkeit des
Daten-Diebstahls anderen als Motivation für Nachahmungstaten dienen.
Es steht daher zu befürchten, dass Doxing-Angriffe in Deutschland
zunehmen werden. Reporter ohne Grenzen empfiehlt Medien in solchen
Fällen daher für die Zukunft auch, erst nach einer intensiven
Begutachtung des Materials darüber zu berichten. Die Aufmerksamkeit,
welche der Fall in Deutschland hat, ist durch die Qualität der Daten
nicht gerechtfertigt. Medien, die allzu reißerisch berichten, treten
genau in die Doxing-Falle: Erst wenn Medien auf die gestohlenen
Datensätze etwa von Journalistinnen und Journalisten aufmerksam
machen und dabei zu viele Details nennen, werden die Betroffenen in
ihrer Reputation und Glaubwürdigkeit geschädigt.

Kritisch betrachtet ROG auch diverse politische Reaktionen auf den
Vorfall, in denen eine Stärkung der Sicherheitsbehörden gefordert
wird. Es ist höchst fraglich, inwiefern hochgerüstete Dienste durch
mehr Befugnisse die individuellen Online-Aktivitäten von Millionen
von Bürgerinnen und Bürgern schützen sollen. Es braucht vielmehr eine
stärkere Sensibilisierung in der Bevölkerung für die Gefahren des
Doxing und Maßnahmen, mit denen möglichst viele in Deutschland ihre
individuelle Sicherheit durch einfache Mittel stark erhöhen.

ROG BAUT DIGITALEN HELPDESK AUF

Nicht erst als Reaktion auf diesen Doxing-Angriff arbeitet
Reporter ohne Grenzen derzeit an einem digitalen Helpdesk, der im
März an den Start gehen soll. Hierbei sollen Informationen zur
IT-Sicherheit und Verhaltensstrategien für Journalistinnen und
Journalisten bereitgestellt werden, außerdem wird es ab April auch
regelmäßige Online-Seminare geben. Neben "klassischen" Gefahren wie
der staatlichen Überwachung von Kommunikation soll ein Schwerpunkt
des Angebots bewusst auch auf neuen, eher "weicheren" Angriffen, dem
Umgang mit Hate Speech und dem eigenen Account-Management liegen.

Dieser Helpdesk ist Teil des Berliner Stipendienprogramms für
Journalistinnen und Journalisten im digitalen Raum, welches vom Land
Berlin gefördert wird. Für mehrere Monate bildet ROG Medienschaffende
aus verschiedenen Ländern der Welt zu Trainern in digitaler
Sicherheit aus, die ihr erworbenes Wissen in ihren Heimatländern
weitergeben sollen. (http://ogy.de/evnx)

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Rang 15
von 180 Staaten. Mehr Informationen zur Lage der Pressefreiheit in
Deutschland unter https://www.reporter-ohne-grenzen.de/deutschland/



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer / Anne Renzenbrink / Juliane Matthey
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29

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Datum: 09.01.2019 - 12:07 Uhr
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